Grüner Gesetzentwurf: Verbote kommunaler Steuern durch die
Staatsregierung künftig verhindern – Gästebeitrag, Bettensteuer und kommunale Verpackungssteuer ermöglichen
Am 13. Mai 2025 hat die Staatsregierung angekündigt, kommunale Verpackungssteuern in Bayern zu verbieten (s. hier). Wie schon nach dem Verbot einer kommunalen Bettensteuer (Übernachtungssteuer) im Jahr 2023 oder auch nach Abschaffung der Straßenausbaubeiträge 2018 beschränken CSU und FW die Kommunen jetzt wieder in ihrer verfassungsrechtlich garantierten Finanzhoheit und verwehren ihnen Einnahmen und Lenkungsinstrumente.
Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende, Landtags-Grüne: „Die Staatsregierung verhält sich hier maximal kommunalunfreundlich. Nicht nur, dass sie unsere Kommunen finanziell an der kurzen Leine hält, sondern sie zeigt erneut, dass sie ihnen gar nichts zutraut. Unsere Städte und Gemeinden haben Besseres verdient als diese Gängelung und absolut unnötige Einmischung der Staatsregierung in ihre Angelegenheiten vor Ort. Denn sie wissen selbst am besten, was sie brauchen. Wir Grüne wollen unseren Städten und Gemeinden mehr Entscheidungsfreiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten einräumen, auch in finanzieller Hinsicht.“
Als Nürnberger Bürgerin und lokale Abgeordnete im Bayerischen Landtag ist meine Erfahrung, dass wir vor Ort am besten wissen, was wir brauchen. Am wenigsten brauchen wir Einmischung von oben, was wir auf kommunaler Ebene zu tun und zu lassen haben. Stattdessen brauchen wir mehr Beinfreiheit, um uns selbst zu helfen. Die CSU-Staatsregierung führt ihre Bemühungen, unnötige Bürokratie abzubauen, da ad absurdum, wenn sie einerseits ständig von schlanken Prozessen spricht, andererseits den Kommunen unnötige Vorschriften macht“, so Verena Osgyan, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag.
Die grüne Landtagsfraktion legt daher einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Steuerfindungsrechts der Kommunen und zur Ermöglichung kommunaler Steuern im Tourismusbereich vor, der die Finanzen der Kommunen und ihr Recht, Einnahmen zu generieren, stärken will.
Andreas Birzele, Sprecher für Kommunales, Landtags-Grüne: „Lasst die Kommunen selbst entscheiden, ob sie begrenzt auf ihren Ort Steuern erheben, die direkt in den kommunalen Haushalt fließen, oder Steuern als Lenkungsinstrument einsetzen, bspw. zur Müllvermeidung. Es gibt keinen Grund, den Entscheidungstragenden in den Rathäusern zu misstrauen. Wenn Kommunen in Bayern zu der Ansicht kommen, dass eine Verpackungssteuer bei ihnen vor Ort das richtige Instrument ist, um der Flut an Einwegverpackung und steigenden Müllgebühren etwas entgegenzusetzen, dann wollen wir ihnen das auch ermöglichen. Außerdem geben wir den Kommunen mehr Freiräume für Investitionen in Tourismusinfrastruktur. Mit dem „Nein“ der Staatsregierung zur Verpackungssteuer wird jetzt innerhalb von 10 Jahren bereits zum dritten Mal ganz massiv in die kommunale Finanz- und Selbstverwaltungshoheit der Kommunen eingegriffen.“
Konkrete Änderungen der Landtags-Grünen im Kommunalabgabegesetz:
Ermöglichung eines Gästebeitrags im Tourismus: Die Landtags-Grünen wollen die Möglichkeit schaffen, dass Gemeinden von Übernachtungs- und Tagesgästen entsprechende Beiträge erheben können (nicht müssen), zum einen um ihre Einnahmebasis zu verbreitern und in einen attraktiven Tourismus investieren zu können, und zum anderen umso eine gewisse Lenkung der Besucherströme zu ermöglichen. Das können bislang nur die Kurorte in Gestalt der Kurtaxe. Mit unserem Gästebeitrag wollen wir hier Gleichheit schaffen zwischen Kommunen mit Kur- und Heilbadstatus und anderem Fremdenverkehrsgemeinden.
Katharina Schulze: „Können, nicht müssen, ist hier das Stichwort. Wichtig ist aber: Jede Gemeinde sollte das selbst entscheiden dürfen.“
Beschränkung der Verbotsbefugnisse der Staatsregierung: Das Kommunalabgabegesetz wird dahingehend geändert, dass es für sog. örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern, mit denen eine Gemeinde durch Satzung eine in Bayern bisher nicht erhobene, also neuartige kommunale Steuer wie die Verpackungssteuer einführen möchte, künftig keiner Zustimmung mehr durch die Staatsregierung bedarf. Ein behördliches Verbot darf künftig nur noch durch die Kommunalaufsichtsbehörden erfolgen und auch nur dann, wenn die kommunale Steuer mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Es soll anders als bisher nicht mehr möglich sein, eine solche Steuer bereits wegen einer – sehr weit zu verstehenden – Unvereinbarkeit mit öffentlichen Belangen zu verbieten. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg verzichten schon heute auf eine solche weitreichende Verbotsbefugnis der Landesregierung und verlangen ebenso nur, dass die kommunale Steuer mit höherrangigem Recht vereinbar ist.
Katharina Schulze: „Die laufenden Debatten über eine mögliche Verpackungssteuer vor Ort, in Starnberg oder Aschaffenburg beispielsweise, brauchen keine Störfeuer von Regierungsseite. Unsere Kommunen schaffen das. Und es erspart uns auch unnötige Ministerialbürokratie.“
Andreas Birzele: „Es mag gute Gründe für und gegen eine Verpackungssteuer geben – aber wir Grüne sagen: Liebe Staatsregierung, überlass bitte den Kommunen selbst die Entscheidung. In Tübingen beispielsweise hat sich die Zahl der Gastronomen, die Speisen und Getränke in Mehrwegverpackungen ausgeben, vervierfacht. Der Einwegverpackungsmüll ist deutlich zurückgegangen. Einnahmen aus der Verpackungssteuer werden in Tübingen für die Beseitigung des Mülls im öffentlichen Raum sowie für ergänzende Umweltschutzmaßnahmen reinvestiert.1 Die Verpackungssteuer wirkt also.“
Bettensteuer erlauben: Wir streichen das gesetzliche Verbot der kommunalen Bettensteuer (Übernachtungssteuer) in Art. 3 Abs. 3 S. 1 KAG. Insbesondere Städte wie München, Bamberg und Günzburg möchten bei Hotelgästen eine Übernachtungssteuer erheben. Die LH München erhofft sich jährliche Einnahmen von ca. 60 bis 80 Millionen Euro.
Andreas Birzele: „Auch hier gilt: Lasst den Kommunen Beinfreiheit. Touristinnen und Touristen machen Müll, nutzen öffentliche Einrichtungen und verbrauchen Wasser und Strom. Eine Bettensteuer kann das mitauffangen. Es funktioniert in anderen Städten auch. Wieso also hier so ein unsinniges Verbot?“
Der grüne Gesetzentwurf wird in Erster Lesung in der Plenarsitzung am Dienstag, 24.6.25, diskutiert.
1https://kommunal.de/Tuebingen-Verpackungssteuer-rechtens-Erfahrungen
Zur INFO/HINTERGRUND:
Worum geht’s?
Der grüne Gesetzentwurf wird das Kommunalabgabengesetz (KAG) ändern, soll die Kommunalfinanzen der Kommunen stärken bzw. den Gemeinden mehr Entscheidungsfreiheit einräumen und hat konkret folgenden Inhalt:
Ermöglichung eines Gästebeitrags im Tourismus: Kommunen können von Touristen, v. a. Tagesgästen, künftig einen Gästebeitrag erheben. Das können bislang nur die Kurorte in Gestalt der Kurtaxe.
Abschaffung der Befugnis der StReg und der Kommunalaufsicht, örtl. Verbrauchssteuern wie die kommunale Verpackungssteuer wegen entgegenstehender „öff. Belange“ zu verbieten (= Weg frei für kom. Verpackungssteuer) und Streichung des gesetzl. Verbots der kommunalen Bettensteuer
Regionale Zahlen und Fakten:
Kommunale Verpackungssteuer
Unter anderem folgende Gemeinden bereiten die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer vor bzw. denken sie darüber nach (Q.: SZ-Artikel vom Mai 2025 hier, der exemplarisch einige Kommunen nennt): Starnberg, Aschaffenburg, Schwabach (gab dazu Antrag der grünen Stadtratsfraktion Anfang 2025)3 – wurde aber abgelehnt
„Auch in Bayern hatten sich mehrere größere Städte, darunter Regensburg und Schwabach, interessiert gezeigt.“ (s. diesen SZ-Artikel vom 13.5.25 hier)
3 https://ratsinfo.schwabach.de/vo0050.asp?__kvonr=51362
Folgende bayerische Städte und Gemeinden wollten eine Verpackungssteuer oder haben bereits eine Einführung geprüft bzw. haben grundsätzlich Interesse (Quelle: Liste der Dt. Umwelthilfe mit Kommune siehe hier Stand: 02.05.2024)
Bamberg, München, Nürnberg, Regensburg (parteilose OB, aber durch CSU unterstützt), Würzburg, Aschaffenburg, Fürth, Germering (CSU OB!), Dachau, Rosenheim (CSU OB!), Starnberg (CSU BM!)
Starnberg war die erste Stadt in Bayern, die die Verpackungssteuer einführen wollte. Hat bei 24.000 Einwohnern mit etwa 250.000 Euro Einnahmen gerechnet. Verwaltungsaufwand für Starnberg relativ gering. Etwa 50-70 Betriebe, die es betroffen hätte, vs. 1.300 Bescheide, die nur wegen Hundesteuer rausgehen.
Stimmungsbild Gastro in Starnberg: Eher pro Verpackungssteuer! Mehrweg sei schon in den Gedanken der Menschen verankert, könnte sogar Gastro ankurbeln. (Berichte siehe hier und hier sowie hier)
Zahlen und Infos aus Tübingen:
91.000 Einwohner, Einnahmen: 1. Jahr eine Million Euro, 2. Jahr 950.000 Euro, 3. Jahr 900.000 Euro.
In Tübingen wird eine Steuer auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck erhoben, die für den sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen gedacht sind. Die Steuer beträgt:
50 Cent pro Einwegverpackung (z. B. Kaffeebecher),
50 Cent pro Einweggeschirr (z. B. Pommesschalen),
20 Cent pro Einwegbesteck oder ähnliche Hilfsmittel (z. B. Trinkhalme).
Alle Materialien sind gleich besteuert. Betroffen sind auch Boxen, Schalen, Becher und Papiertüten. Bei kalten Speisen fällt die Steuer nur an, wenn sie mit Besteck verkauft werden. (Bericht siehe hier)
Stadt Tübingen zieht ein positives Fazit – siehe diesen Beitrag in der Kommunale vom Januar 2025 hier bzw. im Zitat:
„Diese Zahlen bestätigen den Erfolg: Die Zahl der Gastronomen, die Speisen und Getränke in Mehrwegverpackungen ausgeben, hat sich vervierfacht. Der Einwegverpackungsmüll ist deutlich zurückgegangen. Im Jahr 2022 hat die Verwaltung 189 Steuerbescheide mit einem Volumen von 1,01 Millionen Euro verschickt. 800.000 Euro flossen bis jetzt ins Stadtsäckel. Für das Jahr 2023 wurden noch nicht alle Betriebe veranlagt. Bislang wurden 124 Bescheide mit einem Volumen von 730.000 Euro verschickt. Davon konnten 600.000 Euro bereits verbucht werden. Die Einnahmen aus der Verpackungssteuer werden in Tübingen für die Beseitigung des Mülls im öffentlichen Raum sowie für ergänzende Umweltschutzmaßnahmen reinvestiert.“
Welche Kommune(n) hat/haben schon konkret die Genehmigung ihrer Satzung nach Art. 2 Abs. 3 KAG beantragt, für die landesweit erstmalige Erhebung einer örtl. Verpackungssteuer:
Aussage des LT-Beauftragten des StMI: Bislang hat keine Rechtsaufsichtsbehörde dem StMI eine gemeindliche Satzung zur Erhebung einer Verpackungssteuer zur Zustimmung vorgelegt. Dem StMI ist nicht bekannt, dass bereits eine Gemeinde bei einer Rechtsaufsichtsbehörde einen Antrag auf Genehmigung gestellt hat.
Gästebeitrag
Mit dem Gästebeitrag wollen wir Gleichheit schaffen zwischen Kommunen mit Kur- und Heilbadstatus und anderen Fremdenverkehrsgemeinden. Bsp. kann die Gemeinde Kochel aufgrund ihrer Klassifizierung bereits Kur- und Gästebeiträge erheben. (Seit 2021 wurde ein Beitrag von Tagesgästen in Höhe von 2 € über die Parkgebühren erhoben. Der Beitrag wird jetzt auf 1 € gesenkt, aber dafür steigt der Kurbeitrag für Übernachtungsgäste von 2 auf 2,50 €.) Die Gemeinde Herrsching darf das aber z. B. nicht, weder für Tagesgäste noch für Übernachtungsgäste. Obwohl hier sicher an schönen Sommertagen auch sehr viele Tagesgäste aus München anreisen. Die Promenade, den See und die öffentlichen Toiletten nutzen. Das alles kostet Geld für die Bereitstellung, Pflege und Reinigung. Angesichts der klammen Kassen der Kommunen sind das Aufwendungen, die, um als Tourismusort aber attraktiv zu sein, getätigt werden müssen.
In den Badeorten an Nord- und Ostsee sind Gebühren für Tagesgäste inzwischen üblich: https://www.rostock-heute.de/kurabgabe-rostock-warnemuende/120127
Prominentes Beispiel ist Venedig, das im letzten Jahr eine Gebühr für Tagesgäste eingeführt hat. Viele der überlasteten Kommunen sehen das als letztes Mittel, um auch die Gästeflut einzudämmen. https://www.travelbook.de/service/venedig-eintrittsgeld-erhoehung
Die Landtags-Grünen wollen den Kommunen einfach die Möglichkeit geben, Kosten, die anfallen, nicht nur von den Bürger*innen tragen zu lassen, sondern eben auch die Gäste daran zu beteiligen. Das trägt auch zu einer höheren Tourismusakzeptanz bei.
Auch der Deutsche Tourismusverband (DTV) hat sich in einem aktuellen Positionspapier klar dafür ausgesprochen, den Kommunen bei Gästebeiträgen freie Hand zu lassen: “Ob ein Ort in den Tourismus finanziert und sich über Gästebeiträge oder Tourismusabgaben refinanziert, muss Teil der kommunalen Selbstverwaltung sein. Notwendig ist ein klarer rechtlicher Rahmen in den Kommunalabgabengesetzen der Länder, um Unsicherheiten, Kosten oder Akzeptanzprobleme zu vermeiden. Wo erforderlich, sind die Kommunalabgabengesetze der Bundesländer entsprechend anzupassen.” Zum Positionspapier des DTV
Verbot der Bettensteuer (Übernachtungssteuer)
Das Thema Bettensteuer ist schon seit Jahren bundesweit Thema. Bereits 2015 haben Hoteliers aus Bremen und Hamburg vor dem Bundesfinanzhof geklagt und dort verloren. Dann wurde weiter bis zum Bundesverfassungsgericht geklagt. Das hat 2022 die Bettensteuer grundsätzlich für zulässig erachtet. Mit der Begründung: Sie belasten die betroffenen Beherbergungsbetriebe nicht übermäßig.
In vielen großen Städten (Berlin, Köln, Frankfurt) wird sie seit Jahren erhoben und hat nicht dazu geführt, dass die Gäste ausgeblieben sind. Bei den zum Teil auf Plattformen sehr großen Preisunterschieden für eine Übernachtung im selben Hotel fällt die Abgabe auch nicht ins Gewicht. Die meisten Kommunen verlangen inzwischen einen bestimmten Prozentsatz vom Übernachtungspreis, so dass bei günstigen Hotels die Abgabe auch gar nicht so hoch ist. Hamburg staffelt sogar nach Übernachtungspreis. Damit kann das Argument der Dehoga ausgehebelt werden, dass sich die Menschen mit weniger Geld dann kein Hotel mehr leisten können.
Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil haben auch die Städte München, Bamberg und Günzburg überlegt, eine Abgabe für Übernachtungsgäste einzuführen. Das hat die Staatsregierung mit der Änderung des BayKAV verboten. Die Kommunen klagen jetzt mit dem Verweis auf das BVG-Urteil vor dem Bay. Verfassungsgerichtshof.
Bereits 2017 hat die Gemeinde Aschheim (LK München) beschlossen, aber 2018 eine Bettensteuer zu erheben. Das hat die Staatsregierung schon damals untersagt. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/aschheim-hotels-sollen-bettensteuer-zahlen-1.3215167