Mit neuem Chancengleichheitsgesetz Frauen im öffentlichen Dienst Bayerns nach vorn bringen

PLENARREDE/GESETZESENTWURF

Verena Osgyan: Es kann nicht sein, dass Frauen im Öffentlichen Dienst Bayerns immer noch derart schlechte Aufstiegschancen haben!

„Obwohl Frauen im öffentlichen Dienst mehr als die Hälfte der Beschäftigten, nämlich 54,6% stellen, sind sie in Führungspositionen mit 19,2% immer noch deutlich unterrepräsentiert. Fast 20 Jahre nach Einführung eines Gleichstellungsgesetzes in Bayern hat sich fast nichts verbessert.“ so Verena Osgyan, gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion in ihrer Rede zum Plenum am 12. November 2015.
Deshalb hat die Grüne Landtagsfraktion im Bayerischen Landtag den Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung gleicher Chancen und zur Gleichstellung von Frauen und Männern (Bayerisches Chancengleichheitsgesetz) in den Landtag eingebracht.

Neuer Name verkörpert einen neuen Anspruch:
Es geht um mehr als Gleichstellung, es geht darum, dass der Staat aktiv handelt und gleiche Chancen ermöglicht. Darum übernimmt der Gesetzentwurf den Titel des entsprechendes Gesetzes der grün-roten Landesregierung Baden-Württembergs.

Wirksame Stelle zur landesweiten Durchsetzung:
Es wird die Stelle einer oder eines Landesbeauftragten für Gleichstellung installiert, die die Einhaltung des Gesetzes kontrolliert. Ziel ist es, den Gleichstellungsbeauftragten eine Stimme zu geben, die auch was zu sagen hat. Deshalb ist die Notwendigkeit, einer Landesbeauftragte für Gleichstellung mit entsprechenden Kompetenzen, Personal und Sachmitteln, die unabhängig die Gleichstellung mit dem angemessenen Augenmaß voranbringt, unabdingbar.

Stärkung der Rechte und der Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen und Behörden:
Die Gleichstellungsbeauftragten bekommen mehr Kompetenzen, Weisungsrechte und die Möglichkeit zur aktiven Öffentlichkeitsarbeit. Sie sind bei sämtlichen Vorstellungsgesprächen hinzuzuziehen und erhalten eine angemessene Frist zum Widerspruch. Gleichzeitig wird der Kündigungsschutz und die Möglichkeit zu Freistellung der Gleichstellungsbeauftragten verbessert. Der Kreis der Kommunen, in denen Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen sind, wird vergrößert auf Gemeinden ab 3000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Nach dem bisherigen CSU-Gesetz sind sie nur befristet zu berufen, was ihre Durchsetzungskraft schwächen kann. Darum sieht das GRÜNE Chancengleichheitsgesetz keine Befristungen vor. Außerdem werden die Durchsetzungsmöglichkeiten deutlich erweitert und der Geltungsbereich erstreckt sich künftig auch auf Unternehmen und Betriebe des Privatrechts, wenn sie dem Staat oder den Kommunen gehören.

Neue Arbeit – Beruf und Familie können vereinbart werden:
Nach dem GRÜNEN Chancengleichheitsgesetz werden alle Dienststellen des öffentlichen Dienstes künftig intensiv Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ergreifen. Neue Arbeitszeitmodelle werden im öffentlichen Dienst erprobt und eingeführt und Teilzeit- und Telearbeit wird deutlich erleichtert.

Gleiche Chancen durch Quoten und Schulungen sichern:
In Bereichen, in denen Frauen derzeit deutlich unterrepräsentiert sind, sollen sie künftig bei Einstellungen und Beförderungen so lange bevorzugt werden, bis Gleichheit erreicht ist. Im öffentlichen Dienst sollen zukünftig Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen Männer für die bisherigen „Frauenberufe“ qualifizieren und auch die Themenfelder „Gleichstellung“ und „Sexuelle Belästigung“ behandeln.

Stetige Verbesserungen und Weiterentwicklungen:
Damit die Chancengleichheit in Bayern künftig immer weiter verbessert wird, sieht das Gesetz regelmäßige Berichte der oder des Landesbeauftragten an den Landtag vor.

Die ausführliche Rede von Verena Osgyan finden Sie hier in Volltext:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir haben das Wort Gleichstellung in letzter Zeit öfter hier im Plenum gehört, gerade von Ihnen, von Seiten der CSU, aber
meist im Zusammenhang mit Integration und Zuwanderung. Die
Debatte geht aber am Thema vorbei, denn Gleichstellung ist unterschiedslos für ALLE die hier leben ein Grundrecht. Und hier müssen wir leider zugeben, dass wir bei der Umsetzung im Alltag oder im Berufsleben auch und gerade in Bayern noch ordentlich Luft nach oben haben. Aber ich freue mich trotzdem, dass Gleichstellung hier im Landtag offensichtlich für alle ein wichtiges Ziel ist. Ich bitte Sie deshalb, mit uns gemeinsam daran zu arbeiten,es auch umzusetzen. Und deshalb haben wir hier unseren Gesetzentwurf für ein Bayerisches Chancengleichheitsgesetz eingebracht. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft würde es bei der derzeitigen Entwicklung sage und schreibe 792 Jahre bis zur kompletten Gleichstellung dauern. So lange kann kein Mensch warten! Nun sollte man denken, da, wo der Freistaat als Arbeitgeber selbst in der Pflicht steht und die Regeln machen kann, sieht es deutlich besser aus. Aber dem ist leider nicht so. Fast 20 Jahre nach Einführung eines Gleichstellungsgesetzes in Bayern hat sich fast nichts verbessert.
Wenn wir uns die Zahlen in Sachen Chancengerechtigkeit zwischen Männern und Frauen betrachten, könnten wir uns Jahrzehnte zurück versetzt fühlen. Obwohl Frauen im öffentlichen Dienst mehr als die Hälfte der Beschäftigten, nämlich 54,6% stellen,  sind sie in Führungspositionen mit 19,2% immer noch deutlich unterrepräsentiert. Und ich wage aber zu prognostizieren, dass mit dem aktuellen Gleichstellungsbericht des Sozialministeriums -der jetzt ansteht -wieder kaum Verbesserungen herauskommen werden. Natürlich sind wir davon ausgegangen, dass der Bericht, wie mehrfach angekündigt, dieser Tage vorgelegt wird. Aber offenbar sind die Zahlen so miserabel,  dass er wohl bis nach dieser Debatte unter Verschluss bleibt. Aber wir wissen ja schon genug aus diversen Anfragen.
Ein paar Beispiele:
Beim Obersten Rechnungshof sind noch nicht einmal 14% der Führungspositionen – ab A13 – mit Frauen besetzt. Weitere Schlusslichter sind das Innenministerium mit 19,79 % und das Umweltministerium mit 21,52 %. Der Gipfel ist jedoch Bayerns Polizei. Nicht einmal 4 % des Führungspersonals ist weiblich. Diese Zahl ist 25 Jahre nach der Einführung des Polizeivollzugsdienstes für Frauen absolut ernüchternd. Warum es seit her nicht gelungen ist, mehr Frauen in die Führungsstrukturen der bayerischen Polizei zu bringen, ist ein Rätsel. Ich erinnere mich noch sehr gut dazu an die Debatte im Ausschuss für öffentlichen Dienst, in dem die Staatsregierung gemeint hat, dass die Qualifizierung eben Zeit brauche –und das obwohl die Weiterqualifikation nur 2 Jahre dauert. Viel wahrscheinlicher liegt es an familienfeindlichen Rahmenbedingungen und an Vorbehalten gegenüber innovativen Arbeitszeitmodellen. Und es betrifft längst nicht nur herausgehobene Positionen: es gibt Polizeidienststellen in Bayern, wie z. B. die Polizeiinspektion Laufen, die gerade mal einen Frauenanteil von 11% aufweisen kann. Im Grundgesetz – Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 ist die Pflicht des Staates verankert, die Gleichberechtigung aktiv zu fördern: Dort heißt es „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“.  Und deshalb gibt es ja Gleichstellungsgesetze.
ABER: Das Bayerische Gesetz ist ein zahnloser Tiger! Es gibt kaum Konsequenzen, wenn Gleichstellung nicht praktiziert wird. Die Gleichstellungsbeauftragten haben kaum Rechte und Mittel haben und es fehlt die nötige Kontrolle. Es wimmelt nur so von Soll-und Kann-Bestimmungen und bietet fast keine Verbindlichkeit. Kein Wunder, dass sich hier über Jahre hinweg so wenig tut. Wir haben im direkten Vergleich das schlechteste und wirkungsloseste Gesetz aller Bundesländer!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben viele Gespräche zum Thema mit Bayerischen Gleichstellungsbeauftragten geführt und der Subtext war überall der Gleiche: Das bestehende Gesetz gaukelt Frauenförderung nur vor.
Ein Beispiel: Die Gleichstellungsbeauftragten sind nur verpflichtend in Bewerbungsverfahren hinzuzuziehen, wenn es die Bewerberin ausdrücklich wünscht. Ich kann mir kaum eine Frau vorstellen, die sich das traut das einzufordern. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, sind die Gleichstellungsbeauftragten dann nur selten beim kompletten Bewerbungsverfahren dabei. Das heißt, es gibt keinerlei Vergleichbarkeit und selbst wenn, haben sie kein Vetorecht bei der Stellenbesetzung. Es geht weiter mit den Arbeitsbedingungen: Sie müssen diesen Posten häufig neben ihrer Tätigkeit in der Verwaltung ausüben, ohne jegliche Freistellung. Und die meisten Gleichstellungsbeauftragten werden dann auch noch nur befristet berufen. Also, wenn dann eine allzu hartnäckig an ihren Aufgaben dran bleibt, ist es ein Leichtes, sie nach drei Jahren wieder davon zu entbinden. Das hört sich alles nicht besonders wirkungsvoll an, oder? Bei jeder anderen Aufsichts – und Kontrollfunktion würden uns angesichts solcher Machtlosigkeit die Haare zu Berge stehen. Dass manche Städte in Bayern den Gleichstellungsbeauftragten in Satzungen wesentlich weitgehendere Befugnisse einräumen, zeigt nur, wie schlecht das Landesgesetz wirklich ist. Aber Gleichstellung im Öffentlichen Dienst darf nicht davon abhängen, ob die Dienststelle zufällig in München oder in Hintertupfing ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit einer Änderung des bestehenden Bayerischen Gleichstellungsgesetzes aus dem Jahr 1996 ist es nicht getan. Da braucht es einen Neuanfang! Und deshalb haben wir hier unseren Gesetzentwurf vorgelegt!
Unsere zentralen Vorschläge sind folgende: Ein neuer Name verkörpert einen neuen Anspruch. Es geht um gleiche Chancen für Frauen und Männer, weil dies weiter führt als der Begriff Gleichstellung und weil er auf unserem Grundgesetz basiert. Es geht darum, dass der Staat aktiv handelt und gleiche Chancen ermöglicht. Deshalb haben wir den Begriff Chancengleichheitsgesetz gewählt. Es wird die Stelle einer oder eines Landesbeauftragten für Gleichstellung installiert, die die Einhaltung des Gesetzes kontrolliert. Ziel ist es, den Gleichstellungsbeauftragten eine Stimme zu geben, die auch etwas zu sagen hat. Deshalb ist es notwendig, den oder die Landesbeauftragte für mit den entsprechenden Kompetenzen, Personal und Sachmitteln auszustatten, um eine unabhängige Amtsführung sicherstellen zu können –ähnlich wie bei den Landesbeauftragten für Datenschutz, die auch wie von uns gefordert alle zwei anstatt fünf Jahre berichten. Ja, ich kenne Ihre Argumentation:  Mit der Staatsministerin hätten wir bereits eine Landesbeauftragte. Aber Sie wissen selbst, dass eine unabhängige Stelle immer eine ganz andere Durchschlagkraft hat und wesentlich besser als Ombudsperson agieren kann. Wissen Sie noch, wie das Ministerium mal hieß? Genau: Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen! Schon allein, dass die „Frauen“ aus der Ministeriumsbenennung gestrichen wurden, zeigt uns die Wertschätzung, die dem Thema entgegengebracht wird.
In unserem Gesetz werden aber auch die Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen und Behörden mit Kompetenzen ausgestattet, die ihnen bislang fehlen. Sie bekommen endlich eigene Mittel, Weisungsrechte und die Möglichkeit zur aktiven Öffentlichkeitsarbeit. Das ist eminent wichtig, damit sie auch Pressearbeit betreiben können, um Missstände publik zu machen oder bei Veranstaltungen auftreten zu können–und nicht zuletzt auch, damit sie auf Augenhöhe mit den Behördenleiterinnen und Leitern agieren können.  Sie sind bei sämtlichen Vorstellungsgesprächen hinzuzuziehen und erhalten eine angemessene Frist zum Widerspruch. Gleichzeitig wird der Kündigungsschutz und die Möglichkeit zu Freistellung der Gleichstellungsbeauftragten verbessert.  Denn es ist klar, dass die Arbeit nur dann ordentlich erledigt werden kann, wenn dafür ausreichend Zeit zur Verfügung steht.  Außerdem werden die Durchsetzungsmöglichkeiten deutlich erweitert und der Geltungsbereich erstreckt sich künftig auch auf kleinere Kommunen und Unternehmen des Privatrechts, wenn sie dem Staat oder den Kommunen gehören. Nach dem GRÜNEN Chancengleichheitsgesetz werden alle Dienststellen des öffentlichen Dienstes künftig intensiv Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ergreifen. Und wir möchten Gleiche Chancen durch Quoten und Schulungen sichern: In Bereichen, in denen Frauen sind, sollen sie so lange bevorzugt eingestellt und befördert werden, bis Gleichheit erreicht ist –und das meint 50:50, nicht 70:30 oder 80:20. Im öffentlichen Dienst soll es künftig Fortbildungsmaßnahmen geben, um mehr Männer für sogenannte „Frauenberufe“ zu gewinnen. Ich kann mir Ihren finalen Einwand auch denken: Die Kosten. Ja und? Es geht um immerhin rund 600.000 Beschäftigte im Öffentlichen Dienst.
Die sollten es Ihnen und uns wert sein, und es wird sich mittelfristig auch rechnen. Wenn daran Zweifel bestehen sollten, bringen wir ein Konsultationsverfahren in Gang und am Ende werden sowohl die gesellschaftlichen als auch die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen.
Wir brauchen in einem prosperierenden Staat einfach alle Potenziale, und da gehören die Frauen dazu! Deshalb bitten wir Sie, unserem Gesetz zuzustimmen, denn wir können nicht mehr ewig warten! (Dem Gesetzentwurf der SPD werden wir auch zustimmen, denn auch wenn wir einige Maßnahmen anders gewichten, ist er ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.)

Danke.

Hier finden Sie die Rede in pdf: 12.11.15_Rede_Chancengleichheitsgesetz_SG_VO_finale

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