E-Government light – CSU verkennt Chance für eine echte Bürgerbeteiligung

PLENARREDE

Am 8. Dezember 2015 fand im Plenum die Zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung über die elektronische Verwaltung in Bayern statt.
Mal wieder bewies die CSU-Regierung, dass sie die wichtigen Chancen der Digitalisierung verkennt, auch wenn die Notwendigkeit der Digitalen Öffnung der Verwaltung klar auf der Hand liegt. Der verabschiedete Gesetzesentwurf des Bayerischen EGovernmentgesetzes, dem die Grüne Landtagsfraktion nicht zugestimmt hat,  ist und bleibt jedoch schwach, wichtige Aspekte werden übersehen, wie die netzpolitische Sprecherin der Fraktion, Verena Osgyan in ihrer Rede deutlich aufführte.

Hier Verena Osgyans Rede im Volltext:

 Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

um eines klarzustellen: Die digitale Öffnung unserer Verwaltung ist dringend notwendig, und daher begrüßen wir es, dass Bayern sich dazu endlich verbindliche Regeln geben möchte. Es wird auch Zeit, denn Deutschland steht hier im internationalen Vergleich nicht gut da: auf dem E-Government-Index der Vereinten Nationen für das Jahr 2014 ist Deutschland auf Platz 21 abgerutscht und wird von 10 anderen EU-Staaten überholt.
Kein Wunder: Wenn wir uns ein Handy im Internet bestellen, ist es Standard dass wir sofort über jeden Schritt des Auslieferungsstatus informiert werden. Aber bei einem Bauantrag im Landratsamt werden wir uns mit der Nachverfolgung schwer tun.
Es wird also höchste Zeit, dieses Thema anzugehen, und mit ihrer Aussage, dass Bayern damit eine Vorreiterrolle einnimmt, tue ich mich deshalb etwas schwer – schließlich haben Sachsen und Schleswig-Holstein schon lange EGovernmentgesetze, und viele andere Länder arbeiten aktuell daran.
Schauen wir uns ihren Gesetzentwurf an, wird zudem deutlich: Ein schlankes Gesetz vorweisen zu können, wie sie sich auf die Fahnen schreiben, ist kein Wert an sich, wenn dafür vieles nicht hinreichend präzise ist.
Es enthält aus unserer Sicht viele halbherzige Regelungen, die Umsetzungsfristen sind zu lang, und der Bereich Open Data wird nicht angepackt. Das sind alles eher handwerkliche Fragen und lässt sich über Änderungsanträge heilen.
Es bleibt aber ein großer politischer Dissenz, bei dem wir wahrscheinlich nicht zusammenkommen werden: Das ist die Tatsache, dass Bayern im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern immer noch kein eigenes Informationsfreiheitsgesetz oder Transparenzgesetz hat.
Die paar Verbesserungen im §36 gegenüber den jetzigen Regelungen sind marginal, es ist, wie sie selbst im Ausschuss zugegeben haben noch nicht einmal „Informationsfreiheit light“.
Und da muss ich sagen, ich verstehe einfach nicht, warum der Freistaat Bayern seinen Bürgerinnen und Bürgern nicht hinreichend vertraut, um Ihnen ein echtes, umfassendes Auskunftsrecht einzuräumen, anstatt hier weiterhin Informationspolitik nach Gutsherrnart zu betreiben. An der Stelle sind wir uns übrigens auch mit der IHK einig!
Die Änderungsanträge der Freien Wähler dazu sehen das Problem zwar, mit der Streichung des „berechtigten Anspruchs“ und den anderen Nachbesserungen ist es aber aus unserer Sicht nicht getan, wir wollen hier ein echtes Transparenzgesetz, das den Bürgerinnen und Bürgern auch klare, uneingeschränkte Rechte gibt und gleichzeitig eine genaue Abgrenzung macht wo das Auskunftsrecht nicht gilt, denn der Schutz persönlicher Daten ist natürlich auch für uns ein unverrückbares Gut.
Und da ist der §36 nicht nur viel zu schwach, sondern auch viel zu schwammig, um eindeutige Aussagen zu treffen. Meine Kollegin Katharina Schulze wird Ihnen daher morgen noch einmal unseren Gesetzentwurf für ein Bayerisches Transparenzgesetz zur Zustimmung vorlegen, dass alle diese Punkte umfasst.
Sieht man von diesem großen Knackpunkt ab, gibt es aber noch einige andere Punkte, bei denen eindeutiger Verbesserungsbedarf herrscht.
Sie haben ja selbst davon gesprochen, dass der Gesetzunterwurf der CSU-Staatsregierung auch Unternehmen unterstützen soll mit der Verwaltung digital zu kommunizieren. Der nPA und DE-Mail sind aber nur zur Authentifizierung für Privatpersonen, nicht für juristische Personen wie Unternehmen oder auch EU-Bürgerinnen geeignet. Hier fordern wir die Einführung eines geeigneten Verfahrens.
Des weiteren fehlt eine Open-Data-Regelung, um einen transparenten, technikneutralen und kostenfreien Zugang zu öffentlichen Daten zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Verpflichtung zur Bereitstellung in einem maschinenlesbaren Format, damit sie in geeigneter Form auch über andere Anwendungen nutzbar und auswertbar sind. Gerade unsere hiesigen Start-ups betonen immer wieder, welche kreativen und nützlichen Apps und Dienste sich über Open Data verwirklichen ließen. Das wäre für Staat, Bürgerinnen und Bürger wie auch Unternehmen doch eine echte Win-Win-Situation! Zumal Maschinenlesbarkeit der Daten auch gleichzeitig heißt, dass die Barrierefreiheit damit automatisch verbessert wird.
Dass die Anregung des AGSV zur Barrierefreiheit (Artikel 9) mittlerweile aufgenommen worden sind, freut uns. Grundsätzlich gehört aber auch eine bessere Regelung zur Interoperationalität ins Gesetz, damit Daten medienbruchfrei ausgetauscht werden können, und damit auch ein einfacherer Austausch innerhalb verschiedener Verwaltungseben gefördert wird.
In eine ähnliche Richtung geht auch die Verpflichtung zur Bereitstellung von Basiskomponenten, damit eine stärkere fachunabhängige und fachübergreifenden Unterstützung der Verwaltungstätigkeit möglich wird.
Ein Punkt, den ich gar nicht verstehe und den ich auch für äußerst bedenklich finde, ist die mangelnde Festschreibung sicherheitstechnischer Standards. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung sieht lediglich vor, die Sicherheit der IT-Systeme der Behörden im Rahmen der Verhältnismäßigkeit vorzuschreiben. Hier fehlen nähere Feststellungen zu Standards. Das reicht uns nicht aus, und ich fordere deshalb – wenn sich das EGovermentgesetz schon in weiten Teilen am Bundesgesetz orientiert – dass wir dann auch den vorhandenen Sicherheitskatalog des BSI verbindlich festschreiben.
Und zuletzt geht es uns wir der FW-Fraktion, dass wir die Umsetzungsfristen für deutlich zu lang und unambitioniert finden. Wo keine europarechtlichen Fristen dagegen sprechen, fordern wir daher ein Inkrafttreten zum 1.1.2018, damit das Gesetz wenigstens noch in dieser Legislatur zum Tragen kommt.
Eine Anmerkung noch zur Umsetzung: der digitale Aufbruch in der Verwaltung ist ja vor allem auch ein gewaltiger Change-Management-Prozess. Um solch einen Kulturwandel erfolgreich zu bewältigen, müssen zuallererst die Beschäftigten mitgenommen und fit gemacht werden. Ich hoffe daher, dass sie die Anmerkungen des Bayerischen Beamtenbunds auch ernst nehmen und für die Schulung der Beschäftigten auch die entsprechenden Mittel bereitstellen.
Auch wenn hier einige Chancen verpasst wurden: die digitale Öffnung der Verwaltung ist eine gute und wichtige Sache, hier sind wir dabei. Nur ohne eine echte Regelung zur Informationsfreiheit sind wir von einer wirklich bürgerfreundlichen Gesetzesgrundlage noch weit entfernt. Deshalb werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank!

Anlage:
Hier finden Sie den Änderungsantrag der Grünen Landtagsfraktion.

 

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