Rede zum ICE-Werk: „Kreativer Protest lohnt sich“

Bei einer Demonstration gegen das geplante ICE-Werk in Altenfurt bedankt sich Verena Osgyan in ihrer Rede bei den Bürgerinnen und Bürgern für ihr Engagement:

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

Ich freue mich sehr, heute als Mitglied der Landtags-Grünen hier sprechen zu dürfen und bedanke mich bei Markus Fleischmann von der Bürgerinitiative Altenfurt herzlich für die Einladung. Ich grüße auch auch die engagierten Bürgerinnen und Bürger, die zahlreichen Vertreterinnen und Vertreter der Bürgervereine, der Bürgerinitiativen und des Bund Naturschutz.

Die letzten Entwicklungen rund um den für das ICE-Werk geplanten Standort Altenfurt-Fischbach zeigen: Kreativer Protest, Dinge nicht einfach als gegeben hinnehmen, lohnt sich immer! Wir Grüne wissen das nicht zuletzt aus eigener langjähriger Erfahrung. Vernünftige Argumente aus der Zivilgesellschaft, mit Nachdruck vorgetragen, können politisch etwas bewirken. Deshalb gehört der Erfolg ganz den vielen Bürgerinnen und Bürgern, die in den vergangenen Monaten ihre Forderungen vorgetragen haben. Dafür ganz, ganz großen Dank!

Und in diesem Sinn ist die heutige Kundgebung eigentlich ein Freudenfest, das so nicht zu erwarten war! Ich erinnere mich noch gut, als letzten Oktober die DB, der Nürnberger OB und Bauministerin Schreyer den Standort Altenfurt/Fischbach als Präferenzstandort vorgestellt haben. [1]

Wir Grüne haben die Standorte geprüft und festgestellt, dass aus unserer Sicht Altenfurt/Fischbach ungeeignet ist. Ich freue mich, dass auch bei den anderen Parteien ein Reflexionsprozess stattgefunden hat – mit Sicherheit etwas befördert durch die vielen kreativen Protestplakate.

Nun hat auch die Nürnberger CSU eingesehen, dass ein ICE-Werk in Altenfurt-Fischbach den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Natur nicht zugemutet werden kann. Und Dank des hartnäckigen Widerspruchs so vieler Bürgerinnen und Bürger hat nun sogar die Bayerische Staatsregierung erklärt, dass sie sich bei dem geplanten Standort Altenfurt/Fischbach das Recht nimmt, aus Gründen des Naturerhalts dem Verkauf der Waldflächen nicht zuzustimmen. 

Damit dürfte der Standort Altenfurt/Fischbach endgültig aus dem Rennen sein, – und ich bin sehr gespannt, ob die Verantwortlichen tatsächlich für diesen Standort noch an der Durchführung des Raumordnungsverfahrens festhalten werden. Aus Sicht der Grünen ist das nun obsolet.

Die Absage der Staatsregierung ist ein politischer Durchbruch und ein Präzedenzfall: Auch hier scheint nun endlich angekommen zu sein, dass Bannwald auch Bannwald bleiben muss. Bisher wurden nämlich unsere dringenden Appelle, bei anderen Projekten dem Verkauf und der Rodung wertvoller Waldflächen einen Riegel vorzuschieben, immer mit dem Verweis auf kommunale Planungshoheit abgebügelt. Ich hoffe sehr, dass sich die Staatsregierung diese neue, verantwortungsvollere Haltung gegenüber der wertvollen und unwiederbringlichen Kulturlandschaft des Reichswalds auch bei anderen Projekten zu eigen macht.

Unser Reichswald ist nämlich nicht nur durch die ICE-Werk-Planung in Gefahr. An allen Ecken und Enden wird versucht, ihn wie einen Kuchen von allen Seiten gleichzeitig anzuschneiden. Ein weiteres erschreckendes Beispiel ist der geplante Sandabbau hier im Röthenbacher Wald. Auf einer Fläche von 50 Hektar soll über einen Zeitraum von 35 Jahren Quarzsand abgebaut werden – inklusive Rodung einer Waldfläche mit über 100 Jahre alten Bäumen. Oder ein neues Industriegebiet bei Lauf, das ebenfalls ohne viel Federlesen aus dem Bannwald geschnitten werden soll. Und ich möchte auch noch einmal auf die Flughafen-Nordsanbindung hinweisen, die nun wirklich niemand mehr braucht, die aber immer noch nicht aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen ist.

Da sage ich nur: Hallo, geht’s noch? Der Bannwald ist nicht der Grabbeltisch für alle möglichen und vorstellbaren wie unvorstellbaren infrastrukturellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse! Einen kostbaren, über Jahrhunderte gewachsenen Organismus kann nichts so schnell ersetzen. Der Reichswald wird stark vom Klimawandel gebeutelt und deshalb schlägt bei all diesen flächendeckenden Waldvernichtungsversuchen auch der Bund Naturschutz Alarm. Auch dafür meinen herzlichen Dank!

Aus genau diesen Gründen möchte ich nun auch davor warnen, als ICE-Werk-Standort hier nun ungeprüft das MUNA-Gelände in Feucht als Abkürzung in einem schwierigen Abwägungsprozess zu sehen. 

Zwar könnte es eine Chance seien, hiermit auch die kriegsbedingten Altlasten beräumen zu können, die Eingriffe in die Natur dabei kleinzureden. Ich baue deshalb darauf, dass im anstehenden Raumordnungsverfahren das Für und Wider dieses Standorts genauso sorgsam abgewogen wird, wie auch die der anderen in der Diskussion stehenden Standorte.

Die Grünen des Kreisverbands Nürnberg haben im April zusammen mit Quadra Ingenieure einen alternativen Bauvorschlag zum ICE-Werk vorgelegt. Dieser hätte nur die Hälfte der ehemals geplanten Fläche gekostet – zwar hält ihn die Bahn für nicht unterstützenswert – unmöglich wäre er aber auch nicht. 

Das zeigt: Es gibt noch Potenzial für die Suche geeigneterer Standorte noch flächensparender vorzugehen und damit vielleicht noch weitere Standorte ins Raumordnungsverfahren einzubringen, bei denen die Belastung für Mensch und Umwelt noch geringer ist.

Wir Grüne wollen deshalb in einem konstruktiven Dialog mit der Deutschen Bahn bleiben.  Wir erwarten, dass alle Standorte, die noch im Rennen sind, kritisch geprüft werden, und bis zum Start des Raumordnungsverfahrens auch noch weitere eingebracht werden können. Bei einer solchen weitreichenden Entscheidung muss jeder Stein dreimal gewendet werden! Die Kommunikation mit allen Betroffenen muss ehrlich bleiben. Sollten sich im Lauf des Raumordnungsverfahrens alle Standorte in der Region als ungeeignet herausstellen, muss auch über andere Lösungen nachgedacht werden.

Seien wir ehrlich: An jedem Standort werden sowohl die Bahn als auch die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner Zugeständnisse machen müssen. Aber bitte immer mit Augenmaß und im Gleichgewicht.

Eines muss ich aber als Grüne auch deutlich machen: Wir brauchen die Verkehrswende, wir wollen den Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen und ein ICE-Werk wäre in Nürnberg aus verschiedenen Gesichtspunkten – Streckenverlauf, Betriebsablauf, die zukünftigen Arbeitsplätze – grundsätzlich gut aufgehoben, um dieses Ziel zu erreichen.
Aber nicht um jeden Preis! Vielen Dank!

Foto: Tom Aurnhammer

Hier geht es zur Schriftlichen Anfrage zum Thema „Mögliche Standorte für ein neues ICE-Werk in Bayern“ vom 22. Oktober 2021.

Hier findet sich die Anfrage zum Plenum von Verena Osgyan zum Thema „ICE-Werk: Bestrebungen für Alternativen“ vom 18. Oktober 2021.




[1] https://www.br.de/nachrichten/bayern/neues-ice-werk-wird-in-nuernberg-fischbach-gebaut,SCXtjFp