GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG
Umgestaltung des Obstmarktes ist Schritt in die richtige Richtung gegen den Klimawandel
Die denkmalpolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag, Dr. Sabine Weigand, hat die Frage, wie sich Bedürfnisse des Denkmalschutzes und der Umwelt miteinander verbinden lassen, zu einem ihrer Schwerpunktthemen ernannt. Derzeit tourt Sabine Weigand durch Bayern, um sich exemplarisch historische Plätze anzuschauen. Dabei hat sie bei einer Ortsbegehung in Nürnberg auch ihre Landtagskollegin Verena Osgyan getroffen. Die wissenschaftspolitische Sprecherin plädiert für mehr Mut auf Nürnbergs Plätzen.
Besonders Stadtplätze heizen sich bei fortschreitendem Klimawandel immer weiter auf. Asphalt, Steinpflaster und Beton sind hervorragende Wärmespeicher. Über den Tag nehmen sie die Hitze auf und geben sie in der Nacht ab. Das ist ein wachsendes Problem. Der Temperatur-Unterschied zwischen Ortszentren und dem Umland kann im Sommer bis zu zehn Grad betragen. Doch Hitze belastet Menschen, Vegetation, das Mikroklima und die Tiere, die in den Städten leben.
Aus Klimaschutzgründen ist es dringend erforderlich, mehr Bäume, Wasser und Grünflächen in die Innenstädte zu bringen. Auch auf Plätze in denkmalgeschützten Ensembles. Andererseits wird häufig der Denkmalschutz als Gegenargument angeführt, da Bäume das historische Erbe stören könnten. Ganz nach dem Motto: „Da stand im Mittelalter auch kein Baum, also darf da auch heute keiner gepflanzt werden.“
Sabine Weigand: „Es ärgert mich, dass der Denkmalschutz immer wieder als Ausrede benutzt wird, um auf Plätzen in Ensembles keine Bäume zu pflanzen. Wir brauchen dringend Maßnahmen, die der Aufheizung in dicht bebauten Ensembles entgegenwirken. Damit steigt die Lebensqualität in Innenstädten ebenso wie die Besucherfrequenz, davon profitieren Städte und Gemeinden.“
Auch in Nürnberg ist in den letzten hundert Jahren die Jahresdurchschnittstemperatur um rund 1,5°C gestiegen. Baureferent Daniel Ulrich betonte bei dem Vor-Ort-Termin mit Verena Osgyan und Sabine Weigand, dass die Stadtplanung in Nürnberg ökologische Gesichtspunkte berücksichtige. Die Zusammenarbeit mit der Unteren Denkmalschutzbehörde sei eng. Es sind aus Sicht des Baureferenten jedenfalls nicht die Denkmalschützer, die Bäume, Grünflächen, Trinkbrunnen oder Bänke auf historischen Plätzen verhindern.
„Der Denkmalschutz ist kein Problem, Begrünungen gehen wir offensiv an“, erklärte Ulrich. Auf Widerstand stoße die Stadt aber regelmäßig, wenn sie die Zahl der Parkplätze reduzieren wolle – auch um Platz für Grün zu schaffen. „Viele Händler sind davon überzeugt, dass sie Stellplätze vor der Tür für ihre Kundinnen und Kunden brauchen“, dabei wisse man aus Erhebungen, dass gar nicht so viele mit dem Auto kommen wollen. „Aber wenn dann die Parkplätze mal weg sind, freue sich alle über Bäume.“
Die Gruppe besuchte in der Nürnberger Altstadt den Obstmarkt, den Egidienplatz und den Hauptmarkt. Ihre fachliche Expertise steuerten Judith Sandmeier und Kathrin Müller vom Landesamt für Denkmalpflege, Stadtheimatpflegerin Claudia Maué sowie der Nürnberger Architekt Andreas Grabow als Vorsitzender des Bundes deutscher Architekten Nürnberg/Mittelfranken/Oberfranken bei.
Der Obstmarkt soll ab 2023 mit über 30 Bäumen bepflanzt werden, die Parkplätze kommen weg und Bänke neu dazu. Auch an die Regenwassernutzung ist gedacht. Die beiden Grünen Stadträte Andrea Bielmeier und Cengiz Sahin begrüßen die Pläne, auch Sabine Weigand hat den Eindruck, dass dort ein positives Beispiel für den Umbau eines Platzes im historischen Ensemble entstehen kann: „Wir haben einen dringenden Handlungsbedarf bei Stadtplätzen. Wir müssen gute Lösungen finden, um das historische Ambiente nicht zu verfälschen und die Atmosphäre nicht zu verlieren, aber auch dafür zu sorgen, dass die Plätze dauerhaft eine Aufenthaltsqualität haben und für die Menschen funktionieren.“
Sie ruft Denkmalschützer und Stadtplaner dazu auf, wo nötig gemeinsam neue Wege zu gehen. „Wir müssen Flexibilität beweisen, um auch im Ensemble Grün, mehr schattenspende Bäume und Aufenthaltsqualität zu schaffen.“
Laut Kathrin Müller vom Landesamt gibt es im Denkmalschutz nur Einzelfallentscheidungen. Auf vielen Plätzen sei Begrünung denkbar, „aber nicht überall“. Judith Sandmeier ergänzte: „Auf Plätzen sind alle öffentlichen Bedarfe gebündelt, Denkmalschutz ist einer davon.“ Es gehe immer um Abwägungen, „aber auch für den Denkmalschutz ist es toll, wenn Plätze belebt sind.“
Der nur wenige Meter entfernte Egidienplatz sei vor allem ein „Autostehplatz“, bemängelte Sabine Weigand. Ein Umbau ist aktuell nicht geplant, die Debatte um das Schwarze Pellerhaus am Kopf des Egidienbergs hat jedoch die Aufmerksamkeit auf diesen gelenkt. Weigand war sich mit den Expertinnen des Landesamts darin einig, dass zunächst die künftige Nutzung des Pellerhauses geklärt sein muss, bevor eine Umgestaltung des Platzes in Angriff genommen wird. Wünschenswert wäre es, wenn wie geplant das Haus des Spiels einzieht.
Sowohl Kathrin Müller und Judith Sandmeier, wie auch Andreas Grabow finden es sinnvoll, einen Thinktank ins Leben zu rufen, damit sich Stadtplaner*innen, Architekt*innen, Fachleute für Energiefragen und Grünplaner*innen gemeinsam über den Egidienplatz Gedanken machen. Grabow: „So könnten man Maßstäbe setzen, die für weitere Projekte hilfreich sind.“
Der Egidienplatz ist ein historischer Platz von europaweiter Bedeutung. Er steht als wegweisendes Beispiel für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit. Müller und Sandmeier können sich für diesen Platz ebenfalls gut vorstellen, dass die Stadt für die Planungen ein Kommunales Denkmalkonzept (KDK) beim Landesamt für Denkmalpflege in Auftrag gibt. Das Kommunale Denkmalkonzept (KDK) richtet sich an alle Gemeinden in Bayern, die sich mit ihrem baulichen, städtebaulichen und archäologischen Erbe auseinandersetzen und dieses bewahren wollen.
Sandmeier: „Die Erhaltung und Entwicklung von Plätzen als zentrale Orte unserer historischen Städte spielen in fast jedem Kommunalen Denkmalkonzept eine bedeutende Rolle. Dabei wird in einem von der Kommune gestarteten Prozess mit vielen Akteuren im öffentlichen Raum über die zukünftige Nutzung dieser Plätze diskutiert. Ein Team von Experten (Denkmalpfleger, Freiraum- und Umweltplaner sowie Architekten ggf. auch Energieplaner) berät diesen Prozess in Planung und Umsetzung.“
Die bisherigen Erfahrungen hätten gezeigt, dass man „aus umwelt-und denkmalfachlicher Sicht beispielsweise sehr gut an das Thema Wasser in der Stadt anknüpfen kann. Für die Zukunft wäre es denkbar, solche und weitere Denkmal- und Umweltaspekte gemeinsam mit den anderen städtebaulichen Belangen in thematischen Kommunalen Denkmalkonzepten zu „Resilienten Stadtplätzen“ projektbezogen zu vertiefen“.
Sabine Weigand unterstützte diese Idee ausdrücklich und wies zugleich darauf hin, dass das KDK notorisch unterfinanziert ist. „Hier muss der Freistaat dringend mehr Gelder bereitstellen.“
Oft sprechen aus Sicht von Kommunen Nutzungen gegen eine Begrünung von Plätzen. So lehnte Daniel Ulrich auf dem Hauptmarkt Baumpflanzungen ab, da Christkindlesmarkt und Events dort dann nicht mehr möglich seien. Sabine Weigand merkte dazu kritisch an: „Ist es tatsächlich nicht möglich, dort den Christkindlesmarkt zu veranstalten, wenn an ausgewählten Stellen fünf schöne Bäume stehen? Man sollte grundsätzlich nach Kompromissen suchen. Auch der Hauptmarkt leidet darunter, dass die Stadt sich immer weiter aufheizt. Das ist auf Dauer der alltäglichen Nutzung, etwa für den Grünen Markt, nicht zuträglich.“
Kathrin Müller ergänzte, dass sie es grundsätzlich aus Sicht des Denkmalschutzes nicht für unmöglich hält, nach eingehender Prüfung auf dem Hauptmarkt auch eine geringe Zahl an Bäumen zu pflanzen.
Verena Osgyan, Stv. Fraktionsvorsitzende und wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, fehlt aber nach wie vor der Mut bei Stadt und Freistaat Bayern. „Nürnberg kann keine Plätze, heißt es immer ironisch. Was die Aufenthaltsqualität auf Nürnbergs Plätzen betrifft, ist in der Tat noch viel Luft nach oben. Wieso trauen wir uns dann nicht mehr Kreativität zu?“ Nicht nur, dass immer wieder der Denkmalschutz als Vorwand genommen wird, um klimagerechte Stadtplanung zu verhindern, auch bei Neubauvorhaben bleibt man regelmäßig hinter den Möglichkeiten. Ein Negativbeispiel in Sachen moderne Platzgestaltung ist für Osgyan der Augustinerhof, bei dem der Freistaat seine Möglichkeiten als Ankermieter nicht genutzt hat: Angepriesen als modernstes Zukunftsmuseum, spiele Klimaschutz dort kaum eine Rolle, mit KFW70 wurde dort ein längst veralteter Energieffizienzwert umgesetzt, während der Freistaat bei eigenen Bauten längst auf Passivhausstandard setzt, und auch beim Thema Grün an Bau herrscht Fehlanzeige. Dabei gebe es heutzutage so viele Möglichkeiten: Fassaden- oder Dachbegrünung sowie Solarziegel, die kaum von herkömmlicher Dachdeckung zu unterscheiden sind. Stattdessen dümpeln dort inmitten einer Steinwüste ein paar kümmerliche Kübelpflanzen vor sich hin.
Die Umgestaltung des Obstmarktes ist laut Osgyan nun endlich ein Schritt in die richtige Richtung. Die Planungen gehen ihr jedoch immer noch nicht weit genug, anstatt nur einige neuralgische Punkte in den Blick zu nehmen, braucht es ein städtebauliches Gesamtkonzept. Denn gerade die Innenstädte sind es, die unter dem Klimawandel leiden – hier heizt es sich besonders auf. Nürnberg hat im bundesweiten Vergleich noch dazu die wenigsten Straßenbäume. „Höchste Zeit, das zu ändern!“