Hochschulgesetz bedarf gründlicher Prüfung


PLENARREDE

von Verena Osgyan, MdL
zum hochschulpolitischen Gesetzentwurf der Landesregierung
im Landtagsplenum am 25. Juni 2020

Durch die Corona-Krise dürfen den Bayerischen Studierenden im kommenden Semester keine Nachteile entstehen. Am 25. Juni 2020 wurde im Landtag ein neues Hochschulgesetz diskutiert, welches dies sicherstellen soll.

Verena Osgyan freut sich, dass die Regelung das Sommersemester 2020 nicht auf die Regelstudienzeit anzurechenen, nun doch Einzug in das Gesetz gefunden hat. Allerdings kritisiert sie, dass die Staatsregierung durch die Hintertür gleichzeitig weitergehende Änderungen des Hochschulgesetzes durchpeitschen möchte, die nicht in Zusammenhang mit der Coronapandemie stehen.

Hier Verenas Rede:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

endlich reden wir heute im Plenum auch einmal über die Situation an unseren bayerischen Hochschulen in der Krise. Das halte ich für überfällig.

Welche wichtige Rolle Wissenschaft und Hochschulen für die Gesellschaft aber auch für uns als Politik spielen, haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten gut sehen können. Drei Viertel der Deutschen wünschen sich eine wissenschaftsgestützte Politik – in Krisenzeiten wie der aktuellen, aber auch darüber hinaus. Das zeigen aktuelle Umfragen. Auch wenn sich Verschwörungsmythen rasant verbreiten: wir haben immer noch ein großes Vertrauen in die Wissenschaft und die Erkenntnisse, die wir aus ihr ziehen können. Das dürfen wir nicht verspielen, denn für eine aufgeklärte Gesellschaft ist wissenschaftliche Erkenntnis eine _der_ Grundlagen überhaupt, unter denen gesellschaftlicher Diskurs überhaupt funktionieren kann. Dass Wahrheit und Demokratie zusammenhängen, hat Immanuel Kant ebenso wie Politikwissenschaftler*innen neueren Schlags immer wieder richtigerweise betont. Die wissenschaftliche Methode ist die Grundlage, dieser Wahrheit ein Stück näher zu kommen und so eine Basis für gesellschaftliche Debatten zu allen möglichen Themen überhaupt erst zu legen. Das funktioniert aber nur, wenn wir auch die richtigen Voraussetzungen für unsere Hochschulen und für das System Wissenschaft als Ganzes schaffen.

Die Wissenschaft ist also systemrelevant. Und wir sehen alle, dass Wissenschaft und Hochschulen unter der Coronakrise leiden. Besonders betroffen ist dabei eine Statusgruppe: die Studierenden. Sie stehen am unteren Ende der Nahrungskette in unserem Hochschulsystem und sind dabei noch die Gruppe, die die wenigsten finanziellen Ressourcen aufbringen kann. Für uns sind Studierbarkeit und Chancengleichheit, gerade in Krisenzeiten, die zentralen hochschulpolitischen Themen.

Dieser Gesetzentwurf ist dafür jetzt ein Baustein. Auch wenn die Vorberatungen in unzähligen Anträgen und Gesprächen dafür zäh waren. Nach Lippenbekenntnissen und viel gutem Zureden gibt es hier endlich einen Gesetzentwurf der Staatsregierung zu dem Thema, wofür ich mich herzlich bedanken möchte. Aber wie so oft gilt auch hier: gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Es gibt hier an einigen Stellen noch deutlichen Änderungsbedarf.

Die Höflichkeit gebietet es, mit dem Lob zu beginnen: Auf den letzten Metern hat die Staatsregierung das Heft des Handelns nun doch endlich in die Hand genommen. Auch wenn unser Antrag, die Regelstudienzeit zu erhöhen, vor wenigen Wochen im Wissenschaftsausschuss noch abgelehnt wurde, freue ich mich, dass die Staatsregierung noch doch eingesehen hat, dass die Regelung sinnvoll ist. Damals hieß es, das sei überhaupt nicht möglich und hat unseren Antrag abgebügelt. Ich freue mich aber, dass die sozialen Belange der Studierenden nun doch berücksichtigt wurden. Wenn genug Druck von der Straße kommt, wie am vergangenen Wochenende, ist vieles manchmal eben doch plötzlich möglich.

Schade, dass es immer erst den öffentlichen Druck braucht, um sinnvoll zu handeln. Der nächste Schritt wäre nun, auch Studierende, die auf das Einkommen aus ihrem Nebenjob angewiesen sind, in Ihre Schutzschirme miteinbeziehen!

Meine Damen und Herren,

ein weiteres löbliches Anliegen der Staatsregierung ist es, die Änderung von Studien- und Prüfungsordnungen zu beschleunigen, um Anpassungen an die Pandemiesituation schneller herbeiführen zu können. Es freut mich, dass das Problem erkannt wurde, nachdem man es monatelang verschlafen hatte, hier irgendetwas mit einer Halbwertszeit von mehr als ein paar Tagen nach außen zu kommunizieren. Die Verantwortung, wie hier in der Vorlage geschehen, allein den Hochschulen zuzuschieben, scheint mit dafür aber äußerst untauglich. Zu Recht weist unter anderem die Landes-ASten-Konferenz darauf hin, dass die Prüfung der Ordnungen durch das Ministerium bisher eigentlich eher als Qualitätssicherungsmechanismus wahrgenommen wurde. Hier gibt es also ausnahmsweise mal Lob für die Staatsregierung – und dann möchte man das Instrument abschaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin strikt dagegen, solche Punkte, die eigentlich in eine reguläre Hochschulrechtsnovelle sollten, jetzt im Hau-Ruck-Verfahren durch das Parlament zu schleusen. Eine schnellere Genehmigung der Prüfungsordnungen könnte man auch durch Personalaufstockungen im Ministerium garantieren. Dafür müssen wir nicht so tief in das Hochschulgesetz eingreifen. Für so einen Schritt, bräuchten wir das normale Gesetzgebungsverfahren, in dem wir solche massiven Schritte in Ruhe diskutieren können.

Im April wurde uns im Wissenschaftsausschuss versprochen, dass wir in die geplante Hochschulrechtsnovelle frühzeitig miteinbezogen werden. Dass offensichtlich Teile dieser Novelle jetzt schon durch die Hintertür abgefrühstückt werden sollen und per Eilverfahren beschlossen werden sollen, ist diesem Haus doch nicht würdig.

Ähnlich verhält es sich mit der geplanten Abschaffung der Hochschulwahlordnung. Hier landesweit geltende Standards festzulegen, scheint mir absolut sinnvoll. Noch dazu, da mit der Novelle die Möglichkeit der Onlinewahl eingeführt werden soll. Dass wir diese Möglichkeit kritisch finden, haben wir immer wieder betont. Ein System, das die allgemeine und die geheime Wahl digital garantiert, ist technisch nicht vorstellbar. Ich finde es schade, dass die Staatsregierung die Hochschulwahlen anscheinend als so unwichtig betrachtet, dass diese Wahlrechtsgrundsätze hier nicht gewahrt werden müssen. Diese Änderung ist nicht durch Corona notwendig geworden. Dass man Hochschulwahlen per Briefwahl durchführen kann, zeigen gerade viele Hochschulen in Bayern in diesen Tagen.

In diesem Sinne kann ich auch schon unseren Änderungsantrag ankündigen, der die ersten beiden Maßnahmen dieser Gesetzesnovelle streichen möchte. Wir sehen hier keine Notwendigkeit, das ohne eine breiter angelegte Debatte durch das Parlament zu peitschen. Auch wenn der Gesetzentwurf jetzt im Eilverfahren beschlossen werden soll und muss, gibt es hier noch einiges an Beratungsbedarf. Vielen Dank!