Rede zur zweiten Lesung zum Staatsvertrag über die Hochschulzulassung

PLENARREDE

zur zweiten Lesung zum Antrag der Staatsregierung auf Zustimmung zum Staatsvertrag über die Hochschulzulassung im Plenum am 17. Juli 2019

Sehr geehrter Herr Präsident,
Herr Staatsminister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

einmal mehr reden wir heute über den Staatsvertrag zur Hochschulzulassung. Wir Grüne werden dem neuen Staatsvertrag natürlich zustimmen, auch deswegen, weil es vor allem die grün regierten Länder waren, die hier wichtige Weichenstellungen für die Zukunft eingebaut haben.

Insbesondere die größere Gewichtung individueller, nicht von der Abiturnote abhängiger Kriterien begrüßen wir ausdrücklich. Dass die Abiturnote dennoch ein größeres Gewicht in der Verteilung spielt als bisher ist dabei durchaus ein großer Wermutstropfen. Ein Tropfen, den wir schlucken müssen, weil Ihre Vorgängerin Herr Sibler; weil Ihre Vorgängerin, die der Ministerpräsident als Expertin ins Kabinett berufen hatte, einstimmige Landtagsbeschlüsse bei den KMK-Verhandlungen einfach ignoriert hat. Der Bayerische Landtag hatte sich nämlich einstimmig dafür ausgesprochen, dass die Abiturnote eine geringere Rolle als bisher spielen müsse.

Denn ein gutes Abitur macht noch keine Ärztin oder einen guten Arzt. Soziale Kompetenzen, emotionale Intelligenz und eine Affinität zum Medizinberuf sind hier deutlich wichtigere Kriterien. Kriterien, die nicht nur einen Studienerfolg vorhersagen, sondern auch ein guter Indikator sind, dass die ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte später auch gut im Umgang mit und der Behandlung von Patienten sind.

Das sieht offenbar auch das Bundesverfassungsgericht so und hat uns als Gesetzgeber daher die Aufgabe gegeben, andere Kriterien als die Abinote höher zu gewichten und auch den Zugang ohne Spitzenabi zu gewährleisten. An uns als Gesetzgeber liegt es nun aber auch, diese zusätzlichen Kriterien und Zulassungswege auszugestalten. Hier haben wir eine große Aufgabe vor uns. Und hier schauen nicht nur die vielen jungen Leute auf uns, die sich für den Medizinberuf interessieren; sondern hier geht es im Endeffekt um die Gesundheitsversorgung als Ganzes.

Es wurde zu diesem Thema mehrfach angesprochen: Zur Wahrheit gehört auch, dass der Staatsvertrag nicht für alle Verbesserung bringt. Es betrifft hier vor allem diejenigen, die durch das Wegfallen der Wartelisten leer ausgehen.

Aufgrund des Verfassungsgerichtsurteils zur Wartezeitquote bleibt hier wenig Spielraum. Das ist eine bittere Pille für diejenigen, die nach 2022 nicht mehr zum Zug kommen. Vor allem, für diejenigen, die in Hoffnung auf die Wartezeitquote eine Ausbildung als Notfallsanitäterin oder als Krankenpfleger angefangen und zum Teil erfolgreich abgeschlossen haben. Das muss mehr anerkannt werden. Sie sollten nicht aufgrund ihrer Wartezeit einen Zugang zum Medizinstudium bekommen, sondern da sie offenbar eine Affinität zum medizinischen Berufsfeld haben und da sie vor allem auch unerlässliche praktische Erfahrungen in dem Bereich sammeln können. Diese sind sowohl im Umgang mit medizinischen und pflegerischen Personal aber auch direkt am Patienten von Vorteil.

Ein weiteres Thema, das uns beschäftigen wird, ist die Standardisierung des Auswahlverfahrens der Hochschulen. Diese ist aber unerlässlich, wenn wir dafür sorgen wollen, dass junge Leute sich für eine Medizinfakultät aufgrund ihrer Schwerpunkte entscheiden und nicht aufgrund rein taktischer Überlegungen. Wir werden und müssen weiter verfolgen, wie das genau ausgestaltet wird.

Meine Damen und Herren,

was wir uns in allen diesen Bereichen, in denen wir als Landesgesetzgeber großen Spielraum haben, noch wünschen, ist eine frühzeitige Einbeziehung des Landtags und des Wissenschaftsausschusses. Das Thema Medizinausbildung ist zu wichtig für unsere Gesellschaft, als dass es einfach im Hinterzimmer beschlossen werden könne. Im Wissenschaftsausschuss will ich nach der Sommerpause eine Anhörung zur Ausgestaltung sowohl der landesrechtlichen Eignungsquote als auch zur Standardisierung des AdH anregen. So können wir am Schluss wirklich das Beste für alle herausholen.

Wir müssen aber auch über die weiteren Rahmenbedingungen reden: Wir brauchen mehr Medizinstudienplätze, wenn wir dem Mediziner*innenmangel begegnen wollen. Der von der Staatsregierung versprochene Ausbau der Studienplätze ist eine Mogelpackung. Denn die angekündigten 2000 neuen Studienplätze sind allein mit Maßnahmen, die auf die vergangene Legislatur zurückgehen, schon geschaffen worden.

Und wir müssen auch über die Arbeitsbedingungen in der Medizin sprechen. Denn wir haben wenig davon, wenn wir viele junge Menschen erfolgreich durchs Medizinstudium bringen, sie aber später von den Arbeitsbedingungen in unseren Krankenhäusern und Versorgungszentren so frustriert werden, dass sich neue Betätigungsfelder sorgen oder im Ausland praktizieren. In den Kliniken gibt es kaum Zeit für ausführliche Patientengespräche, kaum Verschnaufpausen. Stattdessen hält die Ökonomisierung Schritt, sind unzählige – und manchmal ungezählte – Überstunden die Regel und Familienfreundlichkeit ist oft ein Fremdwort.

Wenn wir miteinberechnen, wie viele junge Mediziner*innen sich nach Studium und Facharztausbildung für einen patientenferneren Bereich oder für das Ausland entscheiden, bräuchten wir eigentlich eine Überkapazität im Studium. Zumindest, wenn wir den Bedarf abdecken wollen. Oder wir arbeiten an den Studien- oder Arbeitsbedingungen. So wie im Moment kann es jedenfalls nicht weitergehen!

Meine Damen und Herren,

Sie sehen, das Thema wird uns noch weiter beschäftigen. Deswegen will ich jetzt an dieser Stelle auch Schluss machen, unsere Zustimmung signalisieren und alle Medizinstudierenden alles Gute für die demnächst anstehenden Prüfungen.

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