Nürnberg hält zusammen – Christopher Street Day 2015

GRUSSWORT

Nürnberg hält zusammen – das Jahresmotto der Stadt der Menschenrechte steht dieses Jahr auch als Motto über dem Christopher Street Day, dem traditionellen schwul-lesbischen Straßenfest in der Nürnberger Innenstadt. Und es könnte nirgends besser passen, meinte die Nürnberger Abgeordnete Verena Osgyan in ihrem Grußwort, denn bei Themen wie der Ehe für alle oder einer sicheren Aufnahme und Unterbringung von queeren Flüchtlingen sind wir nicht nur alle gefragt, es geht auch um unser aller Bürgerrechte!

Hier Verenas Rede im Volltext:

Liebe Freundinnen und Freunde,

Nürnberg hält zusammen – ich fand es im ersten Moment fast etwas unkreativ, dass sich der CSD einfach dem Jahres-Motto der Stadt Nürnberg angeschlossen hat, aber mit etwas nachdenken passt es eigentlich super gut.

Wenn wir nachdenken über das Zusammenhalten, kommen wir natürlich sofort zum aktuellsten Thema hier – nämlich der Ehe für alle.

Kürzlich haben wir uns alle wahnsinnig gefreut, weil das irische Volk den gleichgeschlechtlichen Paaren das Eheschließungsrecht zugestanden hat. Und von Woche zu Woche wird die Liste der Staaten, die inzwischen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben, immer länger. Jetzt ist Mexiko dazugekommen. Der Oberste Gerichtshof von Mexiko hat in einem Urteil gesagt: Weil der Zweck der Eheschließung nicht die Fortpflanzung ist, gibt es keinen angemessenen Grund, dass die Partner bei einer Eheschließung heterosexuell sein müssen. Die Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau zuzulassen, ist nichts als Diskriminierung von Homosexuellen.

Ich finde, prägnanter kann man es nicht formulieren. Vor 25 Jahren hat sich der Bundestag zum ersten Mal mit einem Antrag der Grünen zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auseinandergesetzt. Das reicht doch, oder? 25 Jahre sind wirklich genug Bedenkzeit. Wir brauchen jetzt Entscheidungen. Ich für meinen Fall habe keinen Diskussionsbedarf mehr, auch wenn das von der CSU im Landtag in der letzten Sitzung vor der Sommerpause so angemahnt wurde. Ich habe keinen Diskussionsbedarf, ich habe Entscheidungsbedarf, und so sieht es auch die Mehrheit der Bevölkerung: je nach Umfrage würden über 60 bis 70% lieber heute als morgen die Ehe öffnen.

Schauen wir einmal zurück. Die Union hat sich bei der Frage der Homosexualität traditionell immer schwergetan und hat dann doch dazugelernt. Jahrzehnte hat sie gegen die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gekämpft, und zwar in jeder Form. Jetzt berufen sie sich darauf, dass es doch das Lebenspartnerschaftsgesetz gibt, das rot-grün beschlossen hatte. Wir erinnern uns: Die unionsgeführten Länder Bayern, Sachsen und Thüringen hatten damals dagegen eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben und krachend verloren.

Die ganze Debatte der vergangenen Wochen macht deutlich: Es sind nur noch Rückzugsgefechte. Die Mehrheit für die Ehe für alle ist zum Greifen nah. Und wenn wir uns politisch nicht beeilen, werden uns das eines Tages das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch sagen. Das wäre allerdings schade, wenn wir das nicht von selbst politisch hinkriegen.

Mein Bundestags-Kollege Volker Beck hat kürzlich mal gesagt, er versteht gar nicht, warum die Konservativen so gegen die Ehe für alle sind, denn es ist doch genug Ehe für alle da… Da nimmt doch niemand dem anderen was weg. Es ist ein Bund, den man beschließt, weil man sich liebt, nicht mehr und nicht weniger.

Leider gibt es aber immer ewiggestrige Stimmungsmacher, die das gesellschaftliche Klima vergiften und dafür auch noch staatliche Unterstützung erhalten. Auf der letzten Sítzung vor der Sommerpause hatten wir im Landtag eine hitzige Debatte darum, warum die Staatsregierung das unsägliche Pamphlet „Familienbunt“ des Bistums Augsburgs bezuschusst hat. Familienbunt klingt ja nicht schlecht, faktisch wurde aber darin die Ehe für alle mit Inzest gleichgesetzt und en passant gleich mit gegen Alleinerziehende, berufstätige Frauen, Gendergerechtigkeit und jede Menge anderes neumodisches Zeugs gehetzt – dass so etwas mit Steuergeldern finanziert wurde, ist für mich unfassbar.

Das zeigt, worum es im Kern geht: Wollen wir eine offene Gesellschaft, oder wollen wir zurück zu Zeiten in denen LSBTIs, Frauen und Andersdenkende per se als minderwertig diskreditiert wurden? Deshalb muss man oder frau nicht schwul oder lesbisch sein, um sich für die Ehe für alle einzusetzen, denn es geht um unser aller Bürgerrechte.

An die Bedenkenträger: Was ist in den Niederlanden in den letzten 14 Jahren passiert? Was ist in den letzten 12 Jahren in Belgien passiert? Was ist in den letzten 10 Jahren in Spanien passiert? Nichts Schlimmes ist passiert, außer dass ein paar schwule und lesbische Paare glücklicher sind, weil sie geheiratet haben und weil die Gesellschaft, in der sie leben, Ja zu ihnen gesagt hat. Da schleunigst nachzuziehen, das sind wir allein angesichts unserer Geschichte schuldig.

In keinem Land in Europa wurden im 20. Jahrhundert Homosexuelle so intensiv verfolgt wie in Deutschland. Ich finde, auch vor diesem Hintergrund haben wir allen Grund, zu sagen: Schwule und Lesben müssen endlich die gleichen Rechte erhalten wie alle anderen auch. Das bringen wir zum Ausdruck, indem wir das Eheverbot bei Gleichgeschlechtlichkeit endlich aufheben und zusammenhalten.

Und ich denke zum Zusammenhalten gehört, dass wir uns endlich auch in Bayern mit der schwierigen Lage von queeren Flüchtlingen beschäftigen. Wir müssen dafür sorgen, dass diese mehr Unterstützung bei der Anerkennung von homophober Verfolgung als Fluchtgrund bekommen. Wir wissen, wie schwierig die Lage in Uganda oder auch Russland ist, nicht zuletzt wegen unserer Menschenrechtspreisträgerin Kasha Jaqueline Nabagesera, aber anderswo ist das noch nicht so, mir sind Fälle aus München bekannt wo lesbische Frauen aus Uganda von Abschiebung bedroht sind, weil ihre Aussagen angeblich nicht glaubwürdig wären. Da frage ich mich: was wird denn da von traumatisierten Personen noch alles verlangt, um ihre Verfolgung zu beweisen?

Und es geht weiter bei der Unterbringung: LSBTIs müssen ín den Erstaufnahmen und Gemeinschaftsunterkünften besser geschützt und betreut werden, denn auch dort werden sie attackiert und diskriminiert, häufig leider von den eigenen Landsleuten. Wir haben dazu einen Antrag gestellt, dass queere Flüchtlinge auf Wunsch in große Städte wie München oder Nürnberg verlegt werden, weil es hier wenigstens geeignete Unterstützungs- und Betreuungsangebote gibt – Danke hier stellvertretend an Fliederlich, die hier ganz viel leisten! Leider wurde auch dieser Antrag erst einmal abgelehnt, aber vielleicht hat er zumindest einen gewissen Nachdenk-Effekt ausgelöst.

Und zum Zusammenhalten gehört auch, wie wir mit Jugendlichen umgehen, die ihr Coming-out erleben. Ich glaube wir sind schon viel, viel weiter als noch vor 10, vor 20 Jahren, aber das Coming-out in Bayern ist gerade auf dem Land noch schwierig, das haben uns die Gäste auf dem großen queeren Vernetzungstreffen im Landtag jüngst bestätigt, zu dem meine Kollegin Claudia Stamm eingeladen hat. Es war trotzdem ein rauschendes Fest und tags drauf ging es weiter mit dem CSD in München, der auch ganz toll und bunt und schön war. Leider wurde er davon überschattet, dass im Anschluss daran der Sprecher unserer Grünen Jugend und sein Freund an einen homphoben Schlägertrupp geraten sind. Und bei der Aufnahme der Anzeige durch die Beamten war beim Verständnis für ihre Lage wohl auch noch Luft nach oben…

Aber Nürnberg hält zusammen, wir feiern heute nicht nur, sondern zeigen, dass wir eine Stadtgesellschaft sind, und ich gehe fest davon aus, dass deshalb so etwas bei uns nicht möglich ist! Danke, viel Spaß und ein schönes Fest!

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