Kundgebung ICE-Werk Muna

„Bannwald muss Bannwald bleiben“

REDE

Verena Osgyan kämpft auf Kundgebung gegen das ICE-Werk in Feucht für den Erhalt der „grünen Lunge“

Auch in Feucht im Nürnberger Land hat sich Protest gegen das geplante ICE-Werk der Deutschen Bahn formiert, nachdem die CSU den Standort am ehemaligen Munitionslager (MUNA) oder südlich davon scheinbar als ihren neuen Favoriten auserkoren hat. Auf einer Kundgebung neben dem Jägersee spricht sich Verena Osgyan einmal mehr gegen die Rodung des kostbaren Reichswaldes aus – und zeigt sich beeindruckt für das unermüdliche Engagement des Ortes für die Natur.

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

Ich freue mich sehr, heute als Mitglied der Landtags-Grünen hier sprechen zu dürfen und bedanke mich herzlich für die Einladung bei Christian Fries von der Bürgerinitiative gegen das ICE Werk auf dem ehemaligen Gelände der Muna und südlich davon. Ich grüße auch alle engagierten Bürgerinnen und Bürger, die zahlreichen Vertreterinnen und Vertreter der Bürgervereine, der Bürgerinitiativen und des Bund Naturschutz.

Ja – das geplante ICE-Werk trägt viel Zündstoff in sich und spaltet seit Monaten die Gemüter. Ich versuche, zunächst einmal ganz objektiv und ohne Wertung der Standortfrage über das Projekt zu sprechen: Für einen effektiven Klimaschutz brauchen wir eine Verkehrswende und das heißt, dass mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene gebracht werden muss. Dafür braucht es ein ausgebautes Verkehrsnetz, dichte Takte und attraktive Züge. Und diese müssen gewartet werden können. Auch die Schaffung von 450 neuen Arbeitsplätzen ist begrüßenswert. Diese Punkte sprechen erstmal klar für den Bedarf eines neuen ICE-Werks. Schaut man sich die Lage de bisherigen Werke an, fehlt eines in Süddeutschland, und die Erläuterungen der Bahn warum aus betrieblichen Gründen der Großraum Nürnberg prädestiniert wäre, klingen auf den ersten Blick durchaus schlüssig. Ich kann das – wie wohl alle, die da nicht so tief in der  Materie sind – nicht mit letzter Konsequenz beurteilen, aber lassen wir das einmal dahingestellt.

Aber nun muss das Werk ja auch irgendwo einen sinnvollen Platz finden. Auf allen der neun Flächen, die die Bahn derzeit als mögliche Standorte für das anstehende Raumordnungsverfahren genannt hat, würden in erheblichem Umfang natürlich gewachsene Lebensräume für Tiere und Pflanzen zerstört und hektarweise Bannwald gefällt werden. Das ist ein Präferenzfall, denn meines Wissens war dies bisher bei keinem der bisher bereits realisierten ICE-Wartungswerke der Fall. Und genau deshalb muss man dieses Projekt besonders sorgsam und auch kritisch politisch begleiten. Deshalb ist der Protest engagierter Bürgerinnen und Bürger gegen die mögliche Abholzung der Waldgebiete in ihrer Nähe auch völlig legitim und nachvollziehbar, und ja, mehr als wichtig.

Wir Grüne sehen den sich ergebenden Zielkonflikt sehr, sehr deutlich. Als Betreuungsabgeordnete für Nürnberg und Nürnberg-Land macht mir insbesondere Sorgen, dass alle in „meinem“ Bereich ins Spiel gebrachten Standorte mit massiven Eingriffen in den Reichswald, unsere grüne Lunge, verbunden wären. Sei es Altenfurt, Schwarzenbruck oder hier die MUNA oder „südlich der MUNA“ – Bannwald muss Bannwald bleiben. Und ich kann gut verstehen, dass die Planungen für das ICE-Werk bei vielen nun das Fass zum überlaufen bringen.

Der Reichswald ist in Gefahr

Unser Reichswald ist nämlich nicht nur durch die ICE-Werk-Planungen in Gefahr. An allen Ecken und Enden wird versucht, ihn wie einen Kuchen von allen Seiten gleichzeitig anzuschneiden. Ein weiteres erschreckendes Beispiel ist der geplante Sandabbau im Röthenbacher Wald. Auf einer Fläche von 50 Hektar soll über einen Zeitraum von 35 Jahren Quarzsand abgebaut werden – inklusive Rodung einer Waldfläche mit über 100 Jahre alten Bäumen. Oder ein neues Industriegebiet bei Lauf, das ebenfalls ohne viel Federlesen aus dem Bannwald geschnitten werden soll. Und ich möchte auch noch einmal auf die Flughafen-Nordanbindung hinweisen, die nun wirklich niemand mehr braucht, die aber immer noch nicht aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen ist.

Da sage ich nur: Hallo, geht’s noch? Der Bannwald ist nicht der Grabbeltisch für alle möglichen und vorstellbaren wie unvorstellbaren infrastrukturellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse! Einen kostbaren, über Jahrhunderte gewachsenen Organismus kann nichts so schnell ersetzen. Der Reichswald wird stark vom Klimawandel gebeutelt und deshalb schlägt bei all diesen flächendeckenden Waldvernichtungsversuchen auch der Bund Naturschutz Alarm. Auch dafür meinen herzlichen Dank!

Aus genau diesen Gründen möchte ich nun davor warnen, nach einem vorläufigen politischen Veto für Altenfurt als ICE-Werk Standort hier nun ungeprüft das MUNA-Gelände als Abkürzung in einem schwierigen Abwägungsprozess zu sehen. 

Auch beim Standort MUNA müssten rund 40 Hektar geschützter Bannwald gerodet werden. Darüber hinaus ist er europäisches Vogelschutzgebiet[1].

Insbesondere die Anwohnerinnen und Anwohner im Weißensee haben berechtigte Sorge, dass nicht nur die Natur plattgemacht, sondern sie auch durch zunehmenden Verkehr, Lärm und Dauerbeleuchtung um Nerven und Schlaf – kurzum ihre Lebensqualität –  gebracht werden. Ich kann das voll und ganz nachvollziehen!

Augenwischerei und Verharmlosung

Der Standort MUNA wird zudem fälschlicherweise als eine günstige Gelegenheit verkauft, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Räumung von Kampfmitteln aus dem 2. Weltkrieg und damit zugleich die Schaffung von Bauland für das Werk. Die Rodung des Bannwaldes deshalb als hinnehmbare Kleinigkeit gegenzurechnen ist aber letztlich Augenwischerei und Verharmlosung dessen, dass damit wertvoller Klimawald auf lange Sicht verloren sein wird. 

Selbst wenn es entsprechende Ausgleichspflanzungen gäbe, würde es mindestens 75 Jahre dauern, bis sie wieder im vorherigen Umfang positiv zur Klimabilanz beitragen können. Diese Zeit haben wir nicht, erst vor einigen Tagen kam eine neue Klima-Prognose für den Freistaat bis zum Jahr 2100 vom Bayerischen Umweltministerium heraus, die zeigt, dass Franken und insbesondere unsere Region besonders von der Klimaerhitzung getroffen sein wird. Bis zu 5,6 Grad Erwärmung im Sommer bis Ende des Jahrhunderts – da brauchen wir wahrhaft jeden Hektar Wald, der noch verfügbar ist, um hier gegenzusteuern.[2]

Darüber hinaus wird die Bahn die Kampfmittel-Räumung nach eigenen Aussagen gar nicht bezahlen, wie sie in einem Bürgerdialog Anfang Juli deutlich machte.[3]Also ist das Argument des Nutzens der Beräumung alles andere als hieb- und stichfest! Es mag sein, dass die MUNA momentan manchen politischen Akteuren, insbesondere der CSU, und auch der Bahn daher vielleicht als der Standort erscheint, der politisch am einfachsten zu realisieren ist. Ich möchte aber ausdrücklich davor warnen, hier nun weniger strenge Kriterien anzulegen als vielleicht anderswo.

Die Grünen des Kreisverbands Nürnberg haben im April zusammen mit Quadra Ingenieure einen alternativen Bauvorschlag zum ICE-Werk vorgelegt. Dieser hätte nur die Hälfte der ehemals geplanten Fläche gekostet – zwar hält ihn die Bahn für nicht unterstützenswert – unmöglich wäre er aber auch nicht. 

Konstruktiver Dialog gefordert

Wir begrüßen außerordentlich, dass die Bahn nun – inspiriert von dem Entwurf der Quadra Ingenieure GmbH im Auftrag der Grünen – eine Version plant, bei welcher der Platzbedarf noch nur eine Länge von 3,2 Kilometer umfasst, es ist – unserer Ansicht nach – noch wesentlich kleiner möglich. Das Potenzial, noch Flächen sparender zu planen scheint uns längst nicht ausgereizt. Das böte auch die Chance, in das Raumordnungsverfahrens noch weitere Standorte einzubringen, bei denen die Belastung für Mensch und Umwelt wesentlich geringer bleibt. 

Wir Grüne wollen deshalb weiter in einem konstruktiven Dialog mit der Deutschen Bahn bleiben. Wir erwarten, dass alle Standorte, die noch im Rennen sind, kritisch geprüft werden, und bis zum Start des Raumordnungsverfahrens auch noch weitere eingebracht werden können. Wir erwarten von den Verantwortlichen der Deutschen Bahn, dass sie sich gegenüber alternativen Standorten weiterhin offen, ehrlich und gesprächsbereit zeigen. 

Machen wir uns nichts vor: Wo immer das ICE-Werk gebaut wird – wenn es denn gebaut wird – werden Zugeständnisse sowohl von der Bahn als auch von den tatsächlich betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner gemacht werden müssen. Ich baue deshalb darauf, dass im anstehenden Raumordnungsverfahren das Für und Wider des Standorts Muna genauso sorgsam abgewogen wird, wie auch der anderen in der Diskussion stehenden Standorte. 

Aber was hält hier die Waage? Welcher Preis kann den Bürgerinnen und Bürgern zugemutet werden? Die großflächige Rodung von ökologisch wertvollen Wald- und Naturschutzflächen und die Zerstörung eines Vogelschutzgebiets ist für uns Grüne jedenfalls ganz klar ein Ausschluss-Kriterium.

Vielen Dank! 

Hier geht es zur Schriftlichen Anfrage zum Thema „Mögliche Standorte für ein neues ICE-Werk in Bayern“ vom 22. Oktober 2021.

Hier findet sich die Anfrage zum Plenum von Verena Osgyan zum Thema „ICE-Werk: Bestrebungen für Alternativen“ vom 18. Oktober 2021.


[1] https://www.nordbayern.de/region/feucht/ice-werk-am-muna-gelande-proteste-nehmen-fahrt-auf-1.10923947

[2] https://www.nordbayern.de/region/exklusive-daten-nurnberg-stehen-extreme-hitzeperioden-bevor-1.11267186

[3] https://www.nordbayern.de/region/feucht/ice-werk-bahn-will-muna-areal-von-kampfmitteln-befreien-aber-nicht-dafur-zahlen-1.11193753