FACHGESPRÄCH
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Europa Grün denken“ begrüßten wir am 20. Januar 2014 den Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht bei uns im Landtag, um mit ihm über modernen Datenschutz in Bayern und Europa zu sprechen.
Verena Osgyan, netz- und datenschutzpolitische Sprecherin, moderierte den Abend.
Sie gab zu bedenken, dass Überwachung zu einer Verhaltensänderung bei der Bevölkerung führt. „Heute schreibt man nicht mehr alles unbefangen in E-Mails, denn man fühlt sich dabei nicht mehr unbeobachtet.“ Für Bayern sei zudem das Thema Digitalisierung eine drängende Herausforderung. Der Breitbandausbau steckt immer noch fest. Und es muss ein politischer und gesellschaftlicher Diskurs geführt werden, wo digitale Beteiligung umsetzbar ist im Sinne von Stärkung von Transparenz und Demokratie – zum Beispiel im E-Governent bei der Veröffentlichung von Planungsdaten – und wo wir uns mit ungebrochener Fortschrittsgläubigkeit in eine Sackgasse manövrieren. Ein Beispiel ist der jüngst von Finanzminister Söder vorgebrachte Vorschlag, Landtagswahlen per Online-Voting durchzuführen. Nicht nur die Grünen halten das für verfassungswidrig, ganz zu schweigen vom Sicherheitsaspekt. Im Sinne der Bürgerinnen und Bürger brauchen wir außerdem keine De-Regulierung auf Europäischer Ebene, wie es die CSU fordert, sondern ganz im Gegenteil eine Stärkung der BürgerInnenrechte durch einheitliche Datenschutzstandards. Das schützt auch unsere heimische Wirtschaft gegenüber internationalen Playern, die sich dadurch künftig nicht auf ihre laxeren nationalen Regelungen zurückziehen können.
Die europapolitische Sprecherin Christine Kamm erinnerte daran, dass Albrecht bereits vor eineinhalb Jahren bei den Landtagsgrünen zu Gast war. Damals war der Entwurf zur EU-Datenschutzgrundverordnung gerade druckfrisch und der Grüne Europaabgeordnete nahm seine Arbeit als Berichterstatter des zuständigen Innenausschusses im Europäischen Parlament auf. Nun wollten sich die Landtagsgrünen informieren, welches Ergebnis die Verhandlungen zur EU-Datenschutzgrundverordnung genommen hätten.
Jan Philipp Albrecht: “Seit im letzten Sommer der Whistleblower Edward Snowden seine Enthüllungen über die Abhörpraktiken der NSA veröffentlicht hat, ist das Thema Datenschutz und Privatsphäre in den Mittelpunkt gerückt worden. Es ist eine wichtige Beobachtung, dass in den vergangenen 10 Jahren das Thema Privatsphäre noch nie so intensiv und breit gesellschaftlich diskutiert wurde.“
Das Europäische Parlament hat im Oktober 2013 mit der Zustimmung fast aller Fraktionen die EU-Datenschutzgrundverordnung beschlossen. Drei Fragestellunge werden hierzu auf europäischer Ebene intensiv diskutiert:
- Die Stärkung der Informationsrechte der VerbraucherInnen,
- Die Frage, wie eine gemeinsame Rechtsdurchsetzung in Europa erreicht werden kann,
- Welche Sanktionen es bei Rechtsverletzungen im Bereich Datenschutz geben muss.
Die EU-Datenschutzgrundverordnung hat nach Jan Philipp Albrecht einen entscheidenden Vorteil: Unternehmen könnten sich als Firmensitz nicht mehr den Mitgliedstaat mit den niedrigsten Daten-schutzstandards aussuchen, sog. Forum-Shopping. Bislang erlassen die 28 Mitgliedstaaten der Union ihre eigenen Gesetze anhand der Datenschutzrichtlinie von 1995. Dies führte dazu, dass der Datenschutz in Europa einem Flickenteppich gleicht. Ziel des Vorschlags für eine Datenschutzgrundverordnung sind gleiche Standards für Alle.
„Nun ist der Ministerrat am Zug. Leider ist mit einer Verabschiedung der Verordnung noch in dieser Legislaturperiode des Europäischen Parlaments nicht mehr zu rechnen. Auch Deutschland steht hier massiv auf der Bremse.“, so Jan Philipp Albrecht.
Die innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Katharina Schulze, fasst den Abend zusammen: „Wir hatten einen tollen Ritt durch die unterschiedlichen Facetten des Themas. Es steht für uns fest, dass die EU-Datenschutzgrundverordnung kommen und die NSA-Affäre richtig aufgearbeitet werden muss.“ Für das bayerische Parlament fordert sie mehr und effektivere Kontrollrechte in Bezug auf den Verfassungsschutz. „Wir müssen laut werden, die Zivilgesellschaft muss an allen Stellschrauben drehen um ihre Privatsphäre zu schützen!“