Res contra REM – Kunst gegen Atomkraft

REDEBEITRAG

Zu den schönsten Aufgaben für eine Abgeordnete gehört zweifellos, eine Ausstellung eröffnen zu dürfen – vor allem wenn es sich um ein Grünes Herzensthema wie den Kampf gegen Atomkraft dreht. Verena Osgyan durfte auf Einladung des Kulturladens Almoshof am 16. Februar 2014 die Ausstellung „Res contra REM“ mit einem Grußwort begleiten. Viele bekannte Künstlerinnen und Künstler aus der Metropolregion Nürnberg waren vertreten.

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Hier Verenas Rede im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Künstlerinnen und Künstler,

Was bedeutet Res contra REM?

Als ich zum ersten Mal den Titel dieser Ausstellung hörte, habe ich mir zuerst die Frage nach der Bedeutung dieser drei Worte gestellt. Das es um das Thema „Kunst und Atomkraft“ geht, war klar, doch hinter dem Titel steckt mehr.

Denn wörtlich bedeutet Res contra REM: der Gegenstand, das Ding gegen einen mittlerweile veralteten Begriff für Strahlungseinheit.

Wenn ich es für mich aber freier interpretiere, enthält der Titel noch einmal eine zweite Bedeutung.

Res, als ein Grundbegriff der Philosophie, steht für die Kunst, das Sichtbarmachen – REM für die unsichtbare, leicht zu verdrängende aber umso tödlichere Strahlung. In letzter Konsequenz und im Subkontext dessen was wir nach den Ereignissen der letzten 50 Jahre damit verbinden, geht es dabei aber immer auch um den atomaren GAU. Den größten anzunehmenden Unfall.

Der letzte uns bekannte GAU geschah vor knapp drei Jahren im japanischen Fukushima. In Folge eines Seebeben der Stärke 9,0 nur 163 Kilometer vom gleichnamigen Reaktor entfernt, entstand ein Tsunami, der mit 13 bis 15 Meter hohen Wellen auf das gleichnamige Atomkraftwerk prallte. Beben und Tsunami führten in drei der sechs Reaktorblöcken zur Kernschmelze. Noch heute ist die Gegend um Fukushima im Radius von über 20 km eine evakuierte Zone.

Aber so erschreckend das Ereignis ist, es war bekanntermaßen nicht das erste seiner Art.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich denke dabei nicht nur an Harrisburg 1979 oder Tschernobyl 1986, sondern auch an die vielen weniger bekannten Reaktorunfälle, die sicherlich nicht diese verheerenden Auswirkungen hatten und doch zeigen, welche Risiken in der Atomkraft liegen. Die Geschehnisse in Fukushima stehen aber nicht nur für den bloßen atomaren GAU, sie stehen auch für die immensen Verdrängungsmechanismen in Politik und Gesellschaft, die das Thema Atomenergie von Anfang an begleiteten. Und natürlich für die Blindheit gegenüber den Naturgewalten.

Blind? Taub? Stumm? Es schien, als hätten wir alle in keinster Weise mit einer derartigen Katastrophe rechnen können. Wir wussten aber spätestens seit Tschernobyl sehr wohl, dass Atomkraft eine gefährliche und verletzbare Technologie ist. Wir wussten um die verheerenden Folgen von Seebeben und Tsunamis. Vergleichbare Riesenwellen waren in Japan seit dem 17. Jahrhundert wohl dokumentiert.

Und es ist noch nicht einmal zehn Jahre her, dass Weihnachten 2004 mindestens 230.000 Menschen durch einen Tsunami im Indischen Ozean ums Leben kamen!

Wir wussten also: es gibt keine absolute Sicherheit. Und wir wissen: es muss oftmals leider erst etwas Schlimmes passieren, bis ein Umdenken stattfindet.

So war es auch in Deutschland.

Bereits Anfang der 70er Jahre begannen im Badischen Wyhl Bürgerinnen und Bürger – initiiert von einigen ansässigen Winzern – gegen den Bau eines AKWs zu demonstrieren und setzen sich damit auch durch. In den folgenden Jahren wurde die Auseinandersetzung um die Atomenergie in Deutschland mit großer Härte geführt und bildete eine der zentralen Bruchlinien zwischen den politischen Lagern – man denke beispielsweise an die Auseinandersetzungen um die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf Mitte der 80er.

Doch der Protest der Zivilgesellschaft blieb eine Sysiphus-Arbeit: einem Schritt nach vorne folgte immer wieder einer zurück. Aber letztlich hatte sich in einem jahrzehntelangen Prozess ein breiter gesellschaftlicher Konsens für einen Abschied von der Atomenergie herausgebildet, der im Ausstiegsbeschluss der damaligen rot-grünen Regierung gipfelte.

Als das Ende des Atomzeitalters nun zumindest in Deutschland in greifbarer Nähe schien, konnten sich 2010 abermals Lobby- und Wirtschaftsinteressen durchsetzen. Und die Regierung Merkel beschloss in Folge erneute Laufzeitverlängerungen für die bestehenden AKWs.

Ich persönlich hätte nie geglaubt, das ein so breiter Konsens so mir nichts, dir nichts aufgekündigt werden kann. Für mich selbst war dieser Ausstieg aus dem Ausstieg damit der entscheidende Anstoß, nach Jahren als brave und zufriedene Karteileiche meiner Partei selbst politisch aktiv zu werden. Und so wie mir ging es vielen anderen.

Als am 11. März 2011 die ersten Nachrichten über einen GAU in Japan über den Ticker liefen, stand ich gerade mit tausenden MitstreiterInnen in einer Menschenkette vor dem AKW Neckarwestheim. Natürlich verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer und wir alle fühlten uns sprichwörtlich wie im falschen Film. Dort – auf Mobiltelefonen und Tablets die Schreckensmeldungen im Sekundentakt, hier, vor unseren Augen der Reaktor, in dem im Grunde die gleiche tödliche Gefahr schlummerte. Eine nahezu surreale Situation.

Doch erst dieses einschneidende Ereignis konnte die Atombefürworter zumindest kurzfristig in die Defensive bringen und den Atomausstieg besiegeln.

Inzwischen ist dies alles schon wieder weit weg gerückt – nicht nur geographisch und zeitlich, sondern vor allem in unseren Köpfen. Kaum geht die begonnene Energiewende in die Phase, in der die Umsetzung an eine Vielzahl von Schwierigkeiten stößt, wird der Atomausstieg erneut in Frage gestellt.

Ganz so, als ob es Fukushima nie gegeben hätte und, als gäbe es vor unserer eigenen Haustür keine derartigen Risiken.

Auch wenn Tsunamis oder Erdbeben bei uns nahezu ausgeschlossen sind, menschliches und technisches Versagen ist auch in Europa zu Hause. Wir haben keine Sicherheit vor der potenziellen Katastrophe, solange wir weiter mit einer Technologie herumspielen der wir in keinster Weise gewachsen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Künstlerinnen, Künstler und Mitwirkende,

die Ausstellung „Res contra REM“ ruft uns vor Augen, dass das Risiko omnipräsent ist. „Res contra REM“ wendet sich gegen die Atomenergie mittels der Kunst, des Erschaffens, des Sichtbarmachens einer unsichtbaren Bedrohung.

Als gelernte Designerin spiegelt Kunst für mich, wenn sie relevant ist, auch immer Zeitgeschichte wieder und sie kann im besten Sinne politisch wirken ohne Teil des politischen Betriebs zu sein.

Ich erinnere mich hier gut an den RAF-Zyklus von Gerhard Richter, der damit in den 70er Jahren polarisiert und auch provoziert hat indem er die toten RAF-Gefangenen im Stil einer modernen Historienmalerei portraitiert hat.

Ein Thema mit solcher Tragweite wie die Katastrophe von Fukushima, die stellvertretend für die tödlichen Risiken steht, die wir Menschen trotz besseren Wissens eingehen, ist ebenfalls ein prägender Wendepunkt unserer Zeitgeschichte. In der Ausstellung „Res contra REM“ ist die Auseinandersetzung damit, wie ich finde, eindeutig geglückt. Die ausstellenden Künstlerinnen und Künstler nähern sich dem Thema in unterschiedlichsten Sichtweisen. Ich möchte daher nur stellvertretend auf einige einzelne Eindrücke eingehen, die ich bei der Betrachtung gewonnen habe.

Gleich zu Beginn führt uns die titelgebende Radierung „Res contra REM“ das Grauen und die Angst in einem teils biblisch, teils comic-haft anmutenden Endzeits-Szenario vor Augen. Daneben wiegt einen das idyllische Bildnis eines Kindes, das selbstvergessen im Angesicht eines Atomkraftwerks Blumen pflückt, in trügerischer Sicherheit.

Hier flattern in schwereloser Leichtigkeit papierene Kraniche um das Symbol der Zerstörung, den Atompilz. Dort stehen sich die Symbole der zivilen Kernspaltung und die Atombombenexplosion in Bronze gegenüber und es wirkt ein wenig wie das Davor und Danach beim Bleigießen.

Und dann brüskieren uns einerseits die Leere, das Verlassene und Zurückgelassene der Alltagsgegenstände, das die dokumentarische Aufnahme aus Fukushima wiederspiegelt. In einem anderen Bild sehen wir dagegen die Profanheit des politischen Taktierens und Verhandelns, das das Ringen um die Atomkraft Zeit ihres Bestehens begleitet und bestimmt.

Für die zahlreichen Beiträge der Künstlerinnen und Künstler möchte ich mich hiermit ganz herzlich bedanken. Sie alle halten damit unser Bewusstsein im Wachzustand, damit wir stetig über unseren eigenen, sehr kleinen und niedrigen Tellerrand hinausblicken.

Mein Dank geht auch an die Veranstalter und die Kuratorin Frau Schneider, die mir die Möglichkeit gegeben haben, mit Ihnen zusammen heute und auch morgen daran zu arbeiten, dass Fukushima nicht in Vergessenheit gerät.

Vielen Dank und viel Erfolg für Ihre Ausstellung!

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