Neues Leben in der Quelle?! – Perspektiven der Kreativwirtschaft in Nürnberg

SYMPOSIUM

Wo früher der Versandhändler Quelle am Tag bis zu 100.000 Päckchen verschickte, ist fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Zentrum der Kreativszene in Nürnberg entstanden. In der über die Medien ausgetragenen politischen Debatte über Abriss oder Erhalt des 250.000 qm großen Areals ist völlig in den Hintergrund gerückt, dass hier längst vielfältige Initiativen eine neue Heimat gefunden haben. Dies war Anlass für Verena Osgyan, zusammen mit dem Grünen Kreisverband Nürnberg ein Symposium zur Zukunft der Kreativwirtschaft „auf Quelle“ zu veranstalten.

Welche Möglichkeiten bieten sich für eine nachhaltige Nutzung nach den überraschend schnell verworfenen Plänen für einen Hochschulstandort? Industriedenkmal, Heimat für Kreative, Wirtschaftsfaktor, Chance zur Stadtentwicklung im Nürnberger Westen – was tut sich gerade in der Quelle und wie soll die Zukunft des Areals aussehen?

Neues Leben in der Quelle?!
Neues Leben in der Quelle?!

Diese und viele weitere Fragen diskutierten am Montag, 24.02.2014, ab 19 Uhr in  den Räumen des ehemaligen Pressecasinos der Quelle gut 40 interessierte BesucherInnen aus Kultur, Politik und Gesellschaft. Auf dem Podium saßen mit Hannes Hümmer (Verein Quellkollektiv – Gemeinschaft der kreativschaffenden Mieter), Sabrina Bohn (Bürgerverein Gostenhof, Klein-weidenmühle, Muggenhof und Doos e.V.)., Monika Krannich-Pöhler (Stadträtin und baupolitische Sprecherin der Grünen Stadtratsfraktion) und Prof. Michael Stösslein (TH Nürnberg Ohm, Fakultät Architektur) ausgewiesene Expertinnen und Experten zum Thema.

Verena Osgyan, MdL und KreisvorsitzendeDie Begrüßung und der politische Input zum bisherigen Verlauf des „Krimis um die Quelle“ erfolgte durch die Kreisvorsitzende von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und stv. Vorsitzende der grünen Landtagsfraktion, Verena Osgyan, MdL. Sie bemängelte insbesondere die völlig unzureichende Informationspolitik der Staatsregierung beim Hin  und Her um den Wissenschaftsstandort im Nürnberger Westen.

Britta Walthelm, Mitglied im Landesvorstand der Grünen Bayern
Britta Walthelm, Mitglied im Landesvorstand der Grünen Bayern

Die Moderation der Veranstaltung übernahm anschliessend Britta Walthelm vom Landesvorstand der Grünen Bayern.

In relativ kurzer Zeit wurde klar, dass bei der großen Frage Einigkeit herrschte: es soll weitergehen auf Quelle und dafür gibt es Unmengen von Möglichkeiten.

Das beginnt mit einer Fortführung der Nutzung wie sie momentan bereits existiert – durch die kreativ schaffenden Mieterinenn und Mieter, die der Quelle nicht nur neues Leben einhauchen, sondern auch ein immer bedeutenderer wirtschaftlicher Faktor werden. So verdeutlichte der Verein Quellkollektiv, dass große Firmen, die noch vor einiger Zeit Aufträge in alle Welt verteilten, inzwischen immer mehr auf die in der Quelle ansässigen Kreativen zurückgreifen. Die dortigen Synergieeffekte ermöglichen den Kreativen, schnell und zuverlässig große und auch einträgliche Aufträge zu erfüllen und damit dafür zu sorgen, dass das Geld in der Region bleibt.

Doch die Vermietung von Räumlichkeiten ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die das Quelle-Areal bietet. So führte Prof. Stösslein aus, dass aus architektonischer Sicht – entgegen der aktuellen politischen Entscheidung – eine Hochschulnutzung durchaus möglich und sinnvoll sei und benennt als vergleichbare Vorbilder Hochschulen auf einem ehemaligen Logistik-Areal in Luzern und einem vormaligen Milchhofgelände in Zürich. Er hatte zusammen mit seinen Studierenden aus dem Masterkurs  Architektur unter dem Titel „Quelle Reloaded“ in sechs Arbeiten aufgezeigt, auf, wie das ehemalige Versandhaus der Quelle AG in der Fürther Straße umgenutzt werden kann.

 

Stösslein
Prof. Michael Stösslein, TH Nürnberg Ohm, Fachbereich Architektur

Neben dieser und anderen Nutzungsmöglichkeiten, wie Wohnen, Gewerbe und Verkaufsflächen, betonte der Architekturprofessor auch, dass die Etablierung eines Nürnberger Konzertsaals auf Quelle eben falls in Betracht gezogen werden kann. Wichtige Aufgabe bei der Neugestaltung wird aber auch sein, den monolithischen Block Quelle nach aussen zu öffnen und entsprechende Eingangssituationen zu schaffen, um die Abgrenzung zum umgebenden Stadtquartier zu lockern und sich gegenüber den Anwohnern zu öffnen.

Stadtätin Monika Krannich-Pöhler schloss sich diesen Vorstellungen unumwunden an und erläuterte, wie sich die kürzlich ergangenen Vorbescheide durch die Stadt Nürnberg darstellen:

Monika Krannich-Pöhler, Stadträtin
Monika Krannich-Pöhler, Stadträtin Bündnis 90/ Die Grünen

Genehmigt wurden im Versandzentrum 18851 qm Verkaufsfläche, 1500 qm Dienstleistungen, 3500 qm Gastronomie, 5000 qm Freizeiteinrich-tungen und 90 000 qm Büronutzungen.

Dass diese Entscheidungen wieder einmal ohne Beteiligungsprozess über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger getroffen wurden, bemängelte Sabrina Bohn. Für sie ist klar, dass ein Thema wie Quelle, dass alle interessiert, auch in der öffentlichen Debatte wahrgenommen werden  und die Ansichten der Anwohnenden miteinbezogen werden sollten.

Sabrina Bohn vom Bürgerverein
Sabrina Bohn vom Bürgerverein

Es sei auch wichtig, sich einmal prinzipiell darüber Gedanken zu machen, wie Nürnberg mit seinen Kultur- und Kreativ-schaffenden in Zukunft umgehen möchte. Einem großen Potential steht ein immen- ser Mangel an Räumlichkeiten gegenüber. Die Quelle böte hier eine optimale Gele- genheit, Kultur und Kreativität an die Stadt zu binden. Denn wenn es keine Räume gibt, werden die Künstlerinnen und Künstler Nürnberg über kurz oder lang den Rücken kehren.

Der Verein Quellkollektiv bündelt bereits die Interessen von Kultur- und Kreativschaffenden in Nürnberg. Hannes ?Rund 400 Leute haben auf Quelle Unterschlupf gefunden und aus einer anfangs eher losen weil örtlich bedingten Zusammenarbeit, entstanden ungeahnte Synergieeffekte, die die Kreativität stützen und die Produk-tivität immens steigerten. Das betont auch Hannes Hümmer vom Verein. Er selbst hat sich mit einem Tonstudio angesiedelt und stellt ganz klar, dass es sich mitnichten um brotlose Künstlerinnen und Künstler handele, sondern um Unternehmer, die mit Kreativität wirtschaftliche Ergebnisse erzielen.

Ein Zukunftsmodell also für das Areal?

Ja, aber nicht nur. Die Quelle bietet unsagbar viel Platz für Kreativität langfristig angelegte stadtplanerische Überlegungen und deren Umsetzung. Investor, Stadt und BürgerInnenschaft, Kulturschaffende, ArchitektInnen und PolitikerInnen können gemeinsam dafür sorgen, dass „die Quelle nicht versiegt“.

Einwendungen aus dem Publikum, dass mit dem Verkauf des Areals an den Investor die Möglichkeiten aus der Hand gegeben sind, die Quelle weiterhin der Öffentlichkeit und der Kreativszene zu erhalten und weiter gegenüber dem Viertel zu öffnen konnten sich die anwesenden Politikerinnen nicht anschliessen. Schliesslich ist es im Gegenteil Aufgabe von Stadtrat und Verwaltung, passende Rahmenbedingungen zum Wohle aller zu schaffen.

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