„Erwachsenwerden, Erwachsensein“ – Jugendfeier des HVD Bayern

GRUßWORT

46 Jugendliche aus ganz Bayern haben am 15. Juli 2017 in Fürth ihre Jugendfeier begangen. Fast 700 Gäste in der ausverkauften Fürther Stadthalle feierten mit ihnen.

Gefeiert wird mit der humanistischen Jugendfeier das Erwachsenwerden, sie ist dabei zum überwiegenden Teil eine Feier von Jugendlichen für Jugendliche: Durch den Vormittag führten die Moderatorinnen Tanja und Tanja, Junge Humanistinnen und selbst ehemalige Jugendfeierlinge. Die Jugendlichen selbst erzählten mit Präsentationen, Vorträgen und kurzen Showeinlagen das vergangene Jugendfeierprogramm nach. Sie schnippten und klatschten bei Bodypercussion, erzählten Gossip aus ihren Gruppen „Team Roofless“ und „Blutgruppe Nutella“ und berichteten von Jugendfahrt und Selbstverteidigungskurs, Medienworkshops und dem gemeinsamen Kochen mit jungen Geflüchteten. Auch bei der abschließenden Zeremonie standen die Jungen und Mädchen im Mittelpunkt.

Für Verena Osgyan war es daher eine ganz besondere Freude, als Erwachsene und Politikerin mit einem Grußwort zu dieser gelungenen Veranstaltung beitragen zu dürfen.

Hier Verenas Rede im Volltext:

(Es gilt das gesprochene Wort:)

BEGRÜSSUNG

Liebe Jugendliche, liebe Eltern, liebe Großeltern, liebe Gäste, sehr geehrte Damen und Herren,

Ich freue mich sehr, mit Ihnen und Euch heute gemeinsam feiern zu können, und bin ehrlicherweise auch ein wenig aufgeregt – schließlich ist es heute auch heute meine erste Jugendfeier – um so mehr freue ich mich, diesen besonderen Tag mit Euch und Ihnen verbringen zu dürfen.

ERWACHSENWERDEN; ERWACHSENSEIN

Ihr, liebe Jugendliche feiert heute den Eintritt ins Erwachsenenleben. Ihr habt diesen Tag ja auch bestens vorbereitet, euch zu Teams zusammen gefunden, gemeinsam organisiert und sicherlich auch Freundschaften geschlossen.

Ihr, das sind „Blutgruppe: Nutella“ und „Team Roofless“, vielleicht erfahren wir ja später noch wie ihr zu euren Namen gekommen seid.

Für euch gemeinsam gilt es ab heute Träumereien, Unbeschwertheit der Kindheit, vielleicht auch viele einengenden Vorgaben der Erwachsenen ein Stück weit hinter euch zu lassen und diese gegen eine tolle neue Freiheit, Verantwortung für euer Handeln und für die Gesellschaft einzutauschen.

Ihr seid also auf dem Weg ins „Erwachsenwerden“. Doch was bedeutet das überhaupt?

Erwachsene, das sind zum Beispiel eure Eltern und Großeltern, die hier sitzen und bestimmt denken, „So schnell geht das“, Andere vielleicht, „Das wird noch ein langer Weg“ und weitere „Endlich ist es soweit“.

Doch allen zusammen fällt es sicherlich nicht leicht zu glauben, dass hier vorne ihre Kinder sitzen, denen sie vor kurzem noch Gute Nacht Geschichten vorgelesen haben und die sich nun jeden Tag sich ein wenig mehr in die weite Welt hinaus wagen und neue Freiheiten erobern.

Liebe Eltern, liebe Großeltern und Verwandte,

sorgen Sie sich nicht – der Übertritt ins Erwachsenenleben passiert nicht über Nacht, wie wir aus eigener Erfahrung wissen. Sie werden Ihren Kindern weiterhin helfen, ihren Weg zu gehen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, sie begleiten, sie mit Rat und Tat unterstützen und das eine oder andere Butterbrot schmieren.

Und daher gebührt auch Ihnen an diesem Tag großer Dank!

Zugleich ist es der Beginn des Loslassens, Ihre Kinder werden flügge – doch ich kann Ihnen versichern, sie werden immer Eltern und Kinder füreinander bleiben und die, auch sicherlich nächtlichen, WhatsApp-Nachrichten und FaceTime-Anrufe werden weit über das Erwachsenwerden hinausreichen. Ich weiß wovon ich rede, auch mit über 40 bin ich für meine Mutter immer noch ihr „Moggela“, und sie möchte immer noch wissen ob ich bei Reisen heil angekommen bin, Das hat mich als Jugendliche furchtbar genervt, jetzt finde ich es eigentlich sehr schön.

ENTSCHEIDUNGEN

Liebe „Blutgruppe: Nutella“, liebes „Team Roofless“,

ja, ihr werdet erwachsen und werdet die Welt erobern! Aber jetzt mal ehrlich: glaubt ja nicht, dass es die Freiheiten auch umsonst geben wird.

Vielleicht denkt Ihr jetzt: Schon wieder so eine, die alles besser
wissen will. Aber liebe Jugendliche, sehr geehrte Gäste, was
wäre eine Jugendfeier-Rede ohne gute Ratschläge? Da müsst ihr, da müssen Sie jetzt durch…

Der Tag und die Feier heute können Euch anregen, darüber nachzudenken, wie Ihr euch das Erwachsensein vorstellt, wie es sein soll und wie es dagegen nicht sein soll. Es lohnt sich – und das möchte ich Euch von ganzem Herzen versichern – euer Leben offen, aktiv und vor allem mit großer Neugierde anzugehen!

Es werden Menge Wagnisse, Abenteuer und Fallstricke auf euch zu kommen Mit jedem Tag, den ihr älter werdet, werdet ihr Entscheidungen treffen. Manch einer und manch trifft gleich zu Beginn die Richtige. Aber das ist nicht die Regel. Andere werden Umwege gehen. Viele Entscheidungen kann man berichtigen und neu fällen.

Manchen Entschluss fällt man nur einmal. Jede Entscheidung kann die falsche, aber auch die richtige sein. Aber Ihr habt es in der Hand!

Erwachsensein bedeutet in diesem Sinne, seine Entscheidungen abzuwägen. Zu prüfen, wohin sie euch führt, welche Konsequenzen sie für Euch selbst – aber auch für die Menschen, die Euch wichtig sind – haben wird. Nur so kommt Ihr ein Stück zu euch selbst.

Das manches nicht so klappt wie ihr es euch vorgestellt habt ist normal. Versucht einfach bei allem konsequent zu sein und korrigiert Euch, wenn Ihr euch geirrt habt.

Geht euren Weg, wenn Ihr wirklich von etwas überzeugt seid. Wartet nicht darauf, dass jemand sagt, was Ihr tun sollt, sondern findet es selbst heraus.

Entscheidungen können sehr schwer fallen. Aber genau diese Entscheidungen ermöglichen es uns, unser Leben zu leben.

Aber ihr seid ja nicht allein. Ihr werdet werdet eure Entscheidungen selbst treffen müssen, doch hört nicht auf nach Ratschlägen zu fragen. Fragt eure Großeltern, eure Eltern und fragt eure Freunde.

Neben der Familie braucht Ihr in der Zukunft nämlich gute Freunde. Freunde, mit denen man über alles reden kann. Freunde, die auch zu Euch halten, wenn Ihr Sorgen und Probleme habt, die Euch helfen durch Beistand, aber auch Kritik. Freundschaft ist keine Einbahnstraße und lebt davon, dass man nimmt und gibt.

Ratschläge sind wichtig, aber es ist genauso wichtig diese auch zu hinterfragen und zu reflektieren. „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist kein Argument, es auch künftig so zu machen, außer es handelt sich um Kochrezepte eurer Großeltern. An denen würde ich nicht rütteln, denn die bringen mit dem Essen immer wieder auch schöne Erinnerungen mit sich.

Habt vor allem keine Angst unbekannte Wege einzuschlagen, probiert se einfach aus und glaubt immer daran, dass sich immer wieder neue Türen öffnen werden. Ihr könnt alles werden und alles machen, das könnt ihr jetzt, und ihr werdet euch auch noch in 5, 10 oder 20 Jahren verändern und neu erfinden können, lasst euch da nichts anderes erzählen!

Habt auch keine Angst vor Ämtern und Institutionen, die kochen auch nur mit Wasser, aber wir sollten trotzdem alle stets Respekt vor den Menschen haben denen Ihr dort und überall anders begegnet.

BEDEUTUNG JUGENDFEIER UND VIELFALT

Ich finde es toll, dass es die Jugendfeier als Alternative zur Konfirmation und Firmung gibt. Das gehört zu einer vielfältigen und offenen Gesellschaft.

Vielfalt ist etwas Gutes. Eine Gesellschaft, die Vielfalt lebt, da können wir voneinander lernen und profitieren. Es ist eine Chance für die Zukunft – eine Gesellschaft mitzugestalten, die offen ist und all ihren Mitgliedern gleiche Chancen und Rechte gibt, gleich welcher Nationalität, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung und Hautfarbe. Das ist doch selbstverständlich, oder? Leider nicht ganz.

Ihr habt euch auf diesen Tag gut vorbereitet, wie ich aus eurer Jugendfeierzeitung erfahren habe. Ihr habt euch mit vielen wichtigen Themen auseinander gesetzt. Ihr habt euch mit Humanismus und Philosophie beschäftigt, über Menschenrechte diskutiert, habt in der Begegnungsstube Medina und im Dunkelcafé die Perspektiven getauscht, habt mit jungen Geflüchteten gekocht und wart in Berlin, wo ihr euch unter anderem über die Arbeit des Bundestags informiert habt. Mit der Grüße des Bundestags können wir im Bayerischen Landtag zwar nicht mithalten, aber wenn ihr noch mehr Politik erleben wollt möchte ich euch und eure Familien an dieser Stelle auch ganz herzlich zu einer Fahrt in den Bayerischen Landtag einladen.

Eins möchte ich besonders raus greifen. Ihr habt Euch auch mit jungen Menschen getroffen, die wegen Krieg und Lebensgefahr ihre Heimat verlassen mussten. Gemeinsam habt Ihr gekocht und Minigolf gespielt, gemeinsam Zeit verbracht.

Gemeinsam – und das ist das Wichtige dabei.

Ihr habt erkannt, dass es wichtig ist, Euch mit ihnen persönlich auszutauschen. Es ist immer wichtig, dass wir uns als Menschen kennenlernen.

Es genügt nicht, nur über die Menschen zu reden, sondern wir müssen mit ihnen reden. Nur so werden Vorurteile abgebaut. Nur so kann vielleicht verhindert werden, dass sie entstehen.

Damit bringt Ihr nicht nur den jungen Geflüchteten Wertschätzung entgegen. Dadurch tragt Ihr auch zur echten, ehrlichen und lebendigen Willkommenskultur bei. Das finde ich großartig. Und ich finde, das hat Applaus verdient.

Gleichsam erfüllt Ihr die humanistischen Werte Toleranz und Solidarität mit Leben. Zwei humanistische Werte, die in unserer Gesellschaft immer mehr hinterfragt werden und für die wir uns mehr einsetzen müssen!

JUGEND UND POLITIK, WAHLEN

Einer von euch hat einen richtig klugen Weisheitssatz in eure Jugendfeier-Zeitung geschrieben:

Das Fieber der Jugend hält den Rest der Welt auf Normaltemperatur“.

Das heißt, ihr seid die Generation, die die Gesellschaft und ihre Zukunft auf Trab haltet, mitgestaltet und als Politikerin möchte ich betonen, wie wichtig gerade ihr und eure Generation für unsere Zukunft seid. Denn ihr habt noch mehr Zukunft vor euch als ich, und deshalb ist es umso wichtiger dass ihr sie nach EUREN Vorstellungen gestaltet, bevor euch die Älteren das einfach vorgeben.

De Herausforderungen sind groß genug, ein Beispiel: Wir sind die erste Generation, die den Kimawandel erleben wird, und wahrscheinlich die letzte, die dagegen etwas tun kann.

Ihr werdet in den nächsten Jahren erstmals die Möglichkeit erhalten, Eure Stimmen bei der Wahl abzugeben oder vielleicht selbst zu kandidieren. Zu diesem Recht kommt hinzu die Verantwortung, wie man mit diesem Recht umgeht. Man kann damit zur Veränderung unserer Gesellschaft beitragen und mitentscheiden, ob wir in Frieden, Freiheit und Demokratie miteinander leben, in gegenseitiger Achtung und Toleranz. Wenn ihr also als dann das Recht zur Wahl habt, so schaut euch genau an, was diejenigen wollen, die sich zur Wahl stellen, und nehmt euer Recht auch wahr.

Denn wir wissen alle hier, dass auch Ältere nicht immer die klügeren Entscheidungen treffen und in der Politik oft die Interessen der Jugendlichen nicht unbedingt aus Ihrer Perspektive gefällt werden, wie wir es zum Beispiel beim Brexit gesehen haben.

Dort haben sich in Großbritannien die Älteren auf Kosten der Jüngeren gegen die Europäische Union entschieden und damit vielen jungen Menschen ihre Zukunftsperspektiven genommen, sich frei in Europa zu bewegen, zu studieren und zu arbeiten wo man will.

Ich persönlich hoffe daher, dass es bald bereits ab dem 16 Lebensjahr die Möglichkeit zur Wahl geben sollte, denn es sind Entscheidungen, die eure Zukunft betreffen.

Doch daran müssen wir im Bayerischen Landtag noch ein wenig arbeiten bis es so weit ist.

Bis dahin kann ich euch nur noch raten: bleibt mutig, offen und solidarisch!

Sorgt dafür, dass diese Welt eine friedliche ist!

Bringt Euch aktiv ein in die Gestaltung der Demokratie, es muss ja nicht in einer Partei sein. Das ist anstrengend, aber notwendig, um dieses wertvolle Gut zu erhalten!

Hört nicht auf die, die auf Kosten der Schwächeren in unserer Gesellschaft scheinbar einfache Lösungen versprechen, in Wirklichkeit aber mit menschenverachtenden Parolen Hass und Gewalt schüren!

Mir ist klar, dass man dazu viel Mut braucht, denn es ist immer
einfacher, still zu sein und wegzusehen. Reicht denen Eure Hand, die
Hilfe brauchen, denen, die in Not sind.

Eine Gesellschaft, in der jeder nur an sich denkt, in der die
Ellenbogen regieren und die Stärkeren den Schwächeren nicht helfen, können und dürfen wir nicht zulassen. Solidarität, Mitmenschlichkeit und Toleranz sind heute wichtiger denn je.

Und noch ein Rat zum Schluss: Seid kindisch!

Trotz allem Erwachsenwerden: Bleibt ein bisschen Kind… Habt Spaß am Leben. Anstrengende und sorgenreiche Tage gibt es leider genug. Genießt den Moment, das Hier und Jetzt, und bewahrt Euch so schöne Erinnerungen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch für Eure weiteren Schritte in die Freiheit und in die Verantwortung alles Gute, und eine schöne Jugendfeier!

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