PLENARRADE
Seit langer Zeit ist bekannt, dass Frauen erheblich weniger verdienen als Männer. Zuletzt haben die Vereinten Nationen in ihrem letzten Zwischenbericht von 2015 Deutschland zum wiederholten Male zum Handeln aufgefordert. Sie rufen uns „nachdrücklich zur Ergreifung konkreter proaktiver Maßnahmen zur Verringerung und Beseitigung der Lohn und Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern auf.“ Das Gesetz, das jetzt gerade in der Bundesregierung debattiert wird und das dem Antrag der SPD zugrunde liegt, greift hier aber zu kurz. Mit unserem Grünen Dringlichkeitsantrag fordern wir Nachbesserungen beim Entgeltgleichheitsgesetz.
Hier finden Sie Verena Osgyans Rede in Wortlaut
Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,
wir als Abgeordnete sind hier in einer recht komfortablen Situation: Wir wissen ziemlich genau, was unsere Sitznachbarin oder unser Sitznachbar verdient. Frauen und Männer werden hier im hohen Haus grundsätzlich gleich bezahlt. Wir müssen nicht in Gehaltsverhandlungen mit irgendjemandem treten.
Für die meisten Beschäftigten sieht das ganz anders aus. Gehälter werden individuell mit dem Arbeitgeber verhandelt. In Arbeitsverträgen sind Verschwiegenheitsklauseln weit verbreitet. Arbeitgeber wissen ganz genau, dass es zu höheren Gehaltsforderungen kommen könnte, wenn alle wissen, was die Kolleginnen und Kollegen so verdienen.
Meine Damen und Herren,
schon 1906 hat die Ökonomin Alice Salomon ihre Dissertation mit dem Titel „Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit“ veröffentlicht. Heute stehen wir immer noch hier und müssen uns darüber unterhalten, dass Frauen schlechter bezahlt werden als Männer.
Dabei hätten die Frauen in diesem Staat – auch heute noch – ganz besonderen Grund, sich aufzuregen: Frauen verdienen in Bayern fast ein Viertel weniger als Männer. Diese strukturelle Benachteiligung hat viele Gründe. Doch selbst, wenn wir außer Acht lassen, dass typische Frauenberufe noch immer schlechter bezahlt werden. Selbst wenn wir nicht darauf schauen, dass Frauen nach der Elternzeit es oft schwer haben, wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Selbst wenn wir vor all dem unsere Augen verschließen verdienen Frauen bei gleicher Arbeit immer noch 7 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen – und das völlig grundlos.
Ohne gleiche Bezahlung sind ökonomische und gesellschaftliche Probleme vorprogrammiert. Im Rentenalter macht sich die Lohnungleichheit besonders bemerkbar: Frauen bekommen nämlich im Durchschnitt 60 Prozent weniger Rente als Männer. 645 Euro sind das im Durchschnitt – weit weniger als das Existenzminimum! Mit der Lohnpolitik von heute züchten wir die Armut von morgen heran. Und die ganze Gesellschaft muss diese Fehlsteuerung am Ende ausbaden und die Altersarmut auffangen. Deswegen müssen wir jetzt etwas dagegen tun!
Meine Damen und Herren,
die Arbeit von Frauen wird heute längst nach den gleichen Maßstäben beurteilt wie die von Männern. Eine gleiche Bezahlung ist damit aber nicht einher gegangen. Potentiale von Frauen werden nicht wahrgenommen: Ihre Arbeitskraft nehmen wir gerne, eine gerechte Bezahlung bekommen sie aber nicht dafür.
Deswegen freuen wir uns umso mehr, dass der Bundestag jetzt auch ernsthaft über ein Entgeltgleichheitsgesetz redet. Um Wirkung zu zeigen, muss ein solches Gesetz aber auch sinnvoll ausgestaltet werden. Der Antrag der SPD ist hier ein erster Schritt und deshalb werden wir ihm auch zustimmen. Aber wir müssen weiter gehen!
Die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bayern sind in kleineren und mittleren Unternehmen angestellt. Sie alle betrifft der vorliegende Antrag überhaupt nicht. Dabei sind es gerade diese kleinen Unternehmen, in denen die Lohnlücke oft besonders ausgeprägt ist.
Das Gesetz, das jetzt gerade debattiert wird und das dem Antrag der SPD zugrunde liegt, geht von der falschen Seite an die Lohnlücke heran: Sie setzen bei den großen Unternehmen an. Erwiesenermaßen sind es aber die, die einen Lohnausgleich am wenigsten nötig haben. Gerade in den Unternehmen mit unter 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Lohnungleichheit am ausgeprägtesten. Und, ich möchte es noch einmal betonen, das ist der Bereich mit den meisten Beschäftigten im Freistaat.
Wir brauchen ein Lohngleichheitsgesetz, das kein zahnloser Tiger ist, sondern dort ansetzt, wo die Probleme tatsächlich bestehen. Seine Transparenzregelungen müssen deshalb für alle Unternehmen gelten. Auch die mehreren Millionen Beschäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen haben ein Anrecht auf eine gerechte Bezahlung!
Deswegen muss das Gesetz nicht nur Diskriminierungen aufdecken, und zwar in allen Betrieben. Es muss sie auch wirksam beseitigen. Ein wirkliches Entgeltgleichheitsgesetz muss deswegen auch Sanktionsmöglichkeiten vorsehen. Aus naheliegenden Gründen können es sich nur die wenigsten Arbeitnehmerinnen leisten, ihre Arbeitgeber zu verklagen. Wir brauchen deswegen ein Verbandsklagerecht zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit.
Meine Damen und Herren,
Frauenrechte sind Menschenrechte. In ihrem letzten Zwischenbericht von 2015 haben die Vereinten Nationen Deutschland zum wiederholten Male zum Handeln aufgefordert. Sie rufen uns „nachdrücklich zur Ergreifung konkreter proaktiver Maßnahmen zur Verringerung und Beseitigung der Lohn und Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern auf.“
Jetzt ist die Möglichkeit, noch in das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene einzugreifen, so dass das Gesetz wirkliche Lohngerechtigkeit herstellen kann. Jetzt haben wir die Chance, das Gesetz im Hinblick auf die UN-Frauenrechtskonvention auszurichten und geeignete Maßnahmen einzubauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Der Arbeitsauftrag ist unmissverständlich formuliert. Jetzt weiter die Augen vor dieser Ungerechtigkeit zu verschließen, das wäre nichts anderes als Arbeitsverweigerung, als Realitätsverweigerung!
Keine faulen Ausreden mehr, packen wir es an!