Von der Reform zum Hochschulfreiheitsgesetz

Verena Osgyan bringt eigenen Gesetzentwurf auf den Weg, um Hochschulen fit für die Zukunft zu machen

Das Bayerische Hochschulgesetz hatte seine letzte große Reform im Jahr 2006. Bereits damals stieß es auf erhebliche Kritik aufgrund der Einführung von Hochschulräten und der verstärkten Konzentration von Entscheidungsbefugnissen auf die Präsidien. In der Zwischenzeit hat sich natürlich ein erheblicher Reformbedarf aufgestaut, denn Themen wie Internationalisierung, Digitalisierung aber auch Nachhaltigkeit haben mittlerweile einen ganz anderen Stellenwert als noch Anfang der 2000er Jahre. In den letzten zwei Jahren wurde vom CSU-geführten Wissenschaftsministerium daher eine erneute Hochschulrechtsnovelle angekündigt. 

Von einem Umbruch, der in der bayerischen Wissenschaftslandschaft keinen Stein auf dem anderen lassen soll, war jedoch keine Rede – bis zur Regierungserklärung von Ministerpräsident Söder im Herbst 2019, in der er sein Prestigeprojekt Hightech-Agenda zum Vorbild seiner Hochschulpolitik machen wollte. Es wurden zwar zusätzliche Milliarden ausgebracht für einige, wenige Spitzentechnologen wie KI, Luft- und Raumfahrttechnik und Wasserstofftechnologie. Fächer, die keine unmittelbare Verwertbarkeit bringen – Geistes- und Sozialwissenschaften, Lehramtsstudium, aber auch die MINT-Grundlagenforschung – gehen dabei leer aus. Damals war schon abzusehen, dass er seine Hightech-Agenda als Blaupause für die Hochschulstruktur ansieht.

Nachdem daraufhin im vergangenen Jahr ein Vorschlag des Wissenschaftsministeriums noch im Ministerrat gestoppt wurde, wurde – offenbar auf Druck aus der Staatskanzlei – an einem „Eckpunktepapier“ gearbeitet, das nach der Sommerpause geleakt wurde. Vor diesem Hintergrund hatten wir bereits im Herbst eine erste Anhörung im Wissenschaftsausschuss durchgesetzt, um transparent zu machen, welche Pläne die Staatsregierung hier im Hinterzimmer voranzutreiben gedachte. 

In dem Eckpunktepapier, das offiziell erst nach der Anhörung vorlag, fand sich unter anderem eine komplette Entkernung der Gremienstruktur, ein höchst umstrittenes neues Modell für die Rechtsform der Hochschulen als Körperschaften und die Fortführung des anderswo längst wieder ad Acta gelegten Prinzips der „unternehmerischen Hochschule“ wieder. Markige Worte wie „Entfesselung der Hochschulen“ und „Beseitigung von Gremienhemmnissen“ weckten zudem Befürchtungen, dass es um nichts weniger ging als um die Entstaatlichung und Entdemokratisierung unseres ganzen Wissenschaftssystems.

Nachdem damit die Katze aus dem Sack war, entbrachte angesichts der CSU-Pläne massiver Protest unter Studierenden ebenso wie Forscher*innen und Lehrenden. Es gab große Demonstrationen unter anderem in München, Nürnberg und Augsburg, offene Briefe von jeweils über 1.000 Hochschul- und Universitätsprofessor*innen und Stellungnahmen diverser Verbände von Studierenden über Mittelbau bis hin zu den Senatsvorsitzenden der Universitäten. 

Wissenschaftsminister Bernd Sibler hatte daraufhin in den letzten Monaten eine verbale Weltmeisterschaft im Zurückrudern veranstaltet und versucht, die Brisanz der tiefgreifenden Pläne mittels verschiedener Dialogveranstaltungen abzuschwächen. Was tatsächlich in dem nach wie vor unter Verschluss stehenden Gesetzentwurf der CSU enthalten war, wurde der Öffentlichkeit jedoch weiterhin hartnäckig vorenthalten.

Wir Landtags-Grüne waren in der Zwischenzeit nicht untätig und haben deshalb, nach vielen Gesprächen mit Hochschulangehörigen in ganz Bayern, am 10. Mai 2021 als Gegenentwurf zu den Plänen der Söder-Regierung unser eigenes „Hochschulfreiheitsgesetz“ vorgestellt. Denn aus unserer Sicht ist ein kompletter Neuanfang nötig, um die Hochschulen tatsächlich zukunftsfähig und innovativ aufzustellen und die Bedürfnisse der direkt Betroffenen umzusetzen. Neben einem klaren Bekenntnis zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Gleichstellung und Diversity in der Wissenschaft und der Stärkung des gesellschaftlichen Auftrags der Hochschulen, der sog. Third Mission“, sieht unser Gesetzentwurf deshalb unter anderem vor, die Strukturen innerhalb der Hochschulen transparent und demokratisch auszugestalten mittels Stärkung der demokratischen Gremienstrukturen, Wiedereinführung einer verfassten Studierendenschaft, die Sicherstellung guter Lehre anstatt prekärer Beschäftigungsbedingungen sowie zukunftsfeste Regelungen zu Digitalisierung und Open Science.

Der Grüne Gesetzentwurf ist hier zu finden.

Am Dienstag, 18. Mai 2021, hat nun die CSU-Regierung ihr „Hochschulinnovationsgesetz“ endlich vorgestellt und damit krachend ihre Chance zu echten Reformen verpasst. Statt die Hochschulen nachhaltig und zukunftsfähig aufzustellen, die hochschulinterne Demokratie zu unterstützen und sich aktuellen gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen anzunehmen, ist das Gesetz in großen Teilen alter Wein in neuen Schläuchen und enthält wenig Neuerungen und noch weniger Innovation. Und da, wo es substanzielle Änderungen bringt, beziehen sich diese weiterhin auf eine einseitige Förderung der unternehmerischen Betätigung der Hochschulen, bestimmter Forschungsdisziplinen und des wirtschaftlichen Transfers. Damit entzieht sich die Staatsregierung mit ihrem Gesetz einfach komplett aus der Verantwortung und ignoriert die tatsächlichen Erfordernisse moderner Wissenschaftspolitik.

Das CSU-Gesetz wird nun in die Verbändeanhörung gehen und wir haben gemeinsam mit der SPD-Fraktion im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst eine erneute Anhörung zur geplanten Reform des Bayerischen Hochschulgesetzes durchgesetzt, die am 11./12 Juni 2021 stattfinden wird. Im Sinne der Studierenden, Forschenden und Lehrenden werden wir uns dafür einsetzen, dass an den bayerischen Hochschulen weiter die Freiheit von Lehre und Forschung gewahrt bleibt und sie für die zukünftigen Herausforderungen gut aufgestellt sind.