Studierende in die Hochschulleitungen

PLENARREDE

Studentische Mitbestimmung ist im Freistaat Bayern noch immer unterentwickelt. Die SPD-Fraktion hat daher einen Gesetzenwurf zur Ermöglichung studentischer VizepräsidentInnen an bayerischen Hochschulen eingebracht, den die grüne Landtagsfraktion unterstützt.

 

Verena Osgyans Rede hier im Wortlaut:

Frau Präsidentin,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Der Freistaat hat so viele Studierende wie noch nie zuvor, das ist ein Erfolg! Über 378.000 junge Menschen haben sich im Frühjahrssemester dafür entschieden, die Vorteile der Bayerischen Hochschulen nutzen zu wollen. Das sind junge Menschen, die etwas lernen wollen. Und die deshalb auch mitbestimmen wollen und sollen, was an unseren Hochschulen und Universitäten passiert. Sie sind dem nämlich alltäglich ausgesetzt.

Letztes Jahr durften wir 70 Jahre Demokratie in Bayern feiern –
Jetzt sollten wir auch an den bayerischen Hochschulen und Universitäten wieder mehr Demokratie wagen!

Der Vorstoß der SPD zielt auf mehr Mitbestimmungsrechte ab. Und zwar auf höchster Ebene. Die Kompetenzen der Hochschulleitungen wurden in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut. Sie ist für alle Angelegenheiten zuständig, für die in diesem Gesetz oder in der Grundordnung nicht eine andere Zuständigkeit festgelegt ist Wenn die Hochschulleitungen immer wichtiger werden, immer mehr Kompetenzen und Befugnisse erhalten, dann sollte hier auch die studentische Perspektive stärker berücksichtigt werden.

Ob der Vorstoß der SPD dieses Ziel erreichen kann, bleibt aber fraglich.
Wer, wie im vorliegenden Entwurf, die Frage der studentischen Mitbestimmung in die Hände der Hochschulräte legt, riskiert dass diese kann-Bestimmung einfach nicht umgesetzt wird. Ähnlich ist es bereits mit der Einbeziehung der Frauenbeauftragten in die Hochschulleitungen: Nur eine Bayerische Uni hat diese Möglichkeit bisher genutzt.

Für uns ist deshalb klar: Diese kann-Bestimmung macht zwar eine Möglichkeit auf; wenn wir wollen das studentische Mitbestimmung wirklich umgesetzt wird, brauchen wir da aber eine wesentlich höhere Verbindlichkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Mehr Demokratie wagen: Das bedeutet für uns auch, dass Mitbestimmung in der akademischen Selbstverwaltung und der Administration nur ein Teil der Lösung sein kann. Selbstbestimmung, also die Möglichkeit die eigenen Angelegenheiten zu regeln, sind der andere Teil.

Mehr Demokratie wagen, heißt die studentische Selbstverwaltung stärken. Mehr Demokratie wagen, bedeutet vor allem auch die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaften in Bayern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die verfasste Studierendenschaft ganz bewusst und mit großem Erfolg als Demokratisierungsinstrument eingesetzt.

Leider wurden die Studierendenschaften in den 70er-Jahren in Bayern dann allerdings abgeschafft, weil die Staatsregierung und die Mehrheitsfraktion keine öffentliche Kritik ertragen konnten.

Ich würde mir wünschen, dass auch die CSU, endlich ihre unsachliche Trotzhaltung aufgibt und sich zu mehr Demokratie an Bayerns Hochschulen bekennt. Denn Ihre Haltung ist mittlerweile völlig aus der Zeit gefallen.
Bayern ist aktuell das letzte Bundesland, in dem die Studierenden ihre Angelegenheiten nicht selbst verwalten dürfen.
Ich finde es völlig unverständlich, warum Studierenden in Bayern so viel weniger Vertrauen entgegengebracht wird als anderswo.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Verfasste Studierendenschaft ist keine exotische Extrawurst, sondern hat auch ganz elementare praktische Vorteile für die Arbeit der Studierendenvertretungen. Eine davon ist die Hoheit über ihre Finanzen, die jetzt bei den Hochschulverwaltungen liegt. Das geht strukturell gar nicht – Stellen Sie sich vor, ein Betriebsrat müsste vor jeder Sachkostenausgabe beim Arbeitgeber anklopfen. Stellen Sie sich vor, der Betriebsrat müsste, bevor er eine Klage gegen die Firma anstrebt, erst bei eben dieser um die Erstattung der Prozesskosten betteln.

Und es geht auch um echte Vertretungsbefugnisse nach innen und außen. Seit der Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft können die Studierendenvertretungen beispielsweise nicht mehr selbst über ein Semesterticket verhandeln, weil sie dafür kein Mandat haben.

Seit der Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft gibt es in Bayern auch keine unabhängigen BAföG- und Sozialberatungen mehr. Diese Aufgabe wurde den Studierendenwerken auferlegt. Wenn aber die Institution, die über die Annahme der Anträge entscheidet, auch die Beratung übernimmt, ist der Interessenskonflikt vorprogrammiert.

Studierende sind an Hochschule und Universität eingeschrieben, um dort etwas lernen zu dürfen. Sie kommen dort mit bestimmten Vorstellungen und Bedürfnissen an, und wissen selbst am Besten, was sie benötigen, um gut lernen zu können. Seit jeher lehrt die Pädagogik, dass Mitbestimmung und Selbstbestimmung entscheidende Faktoren für den Lernerfolg sind. Und ganz nebenbei wird dabei auch noch Erfahrungswissen über Demokratie gesammelt, Demokratie erfahrbar gemacht.
Und deshalb unterstützen wir den Vorstoß der SPD und begrüßen ihn, auch wenn er uns an einigen Punkten noch zu zaghaft ist.

Gleichzeitig dürfen wir aber das noch wesentlich vordringlichere Ziel der Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft in Bayern keinesfalls aus dem Auge verlieren.

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