Blick ins Labor, Teströhrchen

Eine nationale Agenda für Forschung und Innovation

Plenarrede vom 27.02.2025

Die CSU und die Freien Wähler stellten einen Dringlichkeitsantrag (Nr. 19/5201 vom 26.02.2025) und fordern darin eine nationale Agenda für Forschung und Innovation. Sie erachten Kernfusions-, Quantentechnologie und Künstliche Intelligenz als nationale Schlüsselprojekte. Sie fordern weiterhin die Förderung von Supertech-Missionen, von Luft- und Raumfahrtoffensive sowie von medizinischer Forschung und den Einsatz einer Bund-Länder-Offensive für Hochschul- und Forschungsbau sowie einer Gründungsoffensive für Start-ups.

Verena Osgyan stellt in ihrer Rede dar, dass die Förderung von Wissenschaft grundsätzlich sehr gut ist. Es bedürfe jedoch eines genauen Prüfens, wo Gelder sinnvoll eingesetzt werden. Sie begrüßt Investitionen in Medizin und Gesundheitsforschung, hält jedoch beispielsweise den Hype um das Thema Kernfusion für nicht realistisch. 

Die ganze Rede in schriftlicher Form ist hier zu finden (es gilt das gesprochene Wort):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, 
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Investitionen in Forschung und Innovation sind Investitionen in unsere Zukunft. Insofern begrüße ich es ausdrücklich, dass die Regierungsfraktionen in Bayern dies als Thema für ihren ersten Dringlichkeitsantrag nach der Bundestagswahl setzen. Man könnte sich wesentlich schlechtere Aufschläge vorstellen als die Forderung nach einer nationalen Forschungsagenda. 

Und ja, die Forderungen lesen sich schon einmal wesentlich differenzierter als Ihr letzter an den Bund adressierter Dringlichkeitsantrag, als Sie noch bitterlich beklagten, dass Bayern so benachteiligt wäre, weil es nicht von dem Infrastrukturausgleich für die Transformation ehemaliger Kohlereviere partizipiere. Nicht, dass mir bekannt wäre, dass Bayern nennenswerte Kohleabbaugebiete gehabt hätte.

Nun wird die CSU im Bund wahrscheinlich mitregieren, und daher müssen Sie sich bei Ihren Forderungen künftig auch an der Umsetzbarkeit messen lassen. Dort, wo es darum geht, Bayerns Stärken zu stärken, an Projekte bei Bundesinitiativen anzuknüpfen, wo Bayern bereits vorgelegt hat, sind wir dabei, das klingt sinnvoll. 

Dennoch trieft der ganze Antrag immer noch von einem unangenehmen „Bayern First“-Duktus, der angesichts einer künftigen Regierungspartei für ganz Deutschland einen faden Beigeschmack hat, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so für Ihre Initiative die uneingeschränkte Unterstützung der anderen Länder und Landesgruppen erhalten werden, wenn sie weiterhin immer nur infantil die Backen aufblasen und „ich“, „ich“, „ich“ rufen. Doch das sind Stilfragen, ich buche das mal unter noch nicht ganz abgelegte Oppositionsreflexe ab. 

Nun zu den Inhalten: Medizin und Gesundheitswissenschaft zu stärken ist wichtig für die Zukunft unseres Standorts. Die Hightech-Agenda als Vorbild für missionsorientierte Forschung im Bereich KI, Quantentechnologie und Luft- und Raumfahrt sehe ich durchaus als erfolgversprechenden Ansatz. Mit dem Vorhaben, zusammen mit ESA und DLR ein Mondkontrollzentrum in Bayern anzusiedeln, gibt es da ja schon reale Anknüpfungspunkte. Genau das ist auch der Dreh und Angelpunkt für Erfolge: Kooperation. 

Was mich ausdrücklich freut, ist das Ansinnen eine Bund-Länder-Initiative für Hochschul- und Forschungsbau auf den Weg zu bringen. Entsprechendes haben wir bereits seit langem gefordert, genauso wie die Hochschulrektorenkonferenz und die Universität Bayern e.V. 

Eine gute Infrastruktur für Forschung und Lehre ist nicht zuletzt ganz entscheidend dafür, welche Anziehungskraft wir auch für internationale Spitzenkräfte entfalten können. Allein, hier kommt mir der Aspekt des Abbaus des allfälligen Sanierungsstaus zu kurz, den die HRK bundesweit auf über 80 Milliarden Euro beziffert, die Hamburger Finanzbehörde sogar auf etwa 141 Milliarden. Und, Kolleginnen und Kollegen – einen solchen Pakt für eine zukunftsfähige Infrastruktur auf den Weg zu bringen, heißt auch, sich ehrlich zu machen und sich für eine Modifizierung der Schuldenbremse einzusetzen, denn anders wird das kaum möglich sein.

Leider gibt es neben allerlei Sinnvollem in diesem DA auch einen durch keinerlei Fakten oder wissenschaftliche Seriosität gedeckten Hype um Ihren Lieblingstraum, die Kernfusion. Kernfusion ist sicher ein wichtiger Beitrag zur Grundlagenforschung, aber keine Lösung für die aktuellen Energiefragen – weder kurzfristig, noch mittelfristig. Unser Fachgespräch mit dem Vorsitzenden der Expertenkommission Kernfusion, Prof. Dr. Robert Schlögel, im Bayerischen Landtag hat sehr, sehr deutlich gemacht, dass konkrete Ergebnisse hier – wenn überhaupt – eher in 40 Jahren vorliegen und nicht in den 2040er Jahren, wie Ministerpräsident Söder in seiner letzten Pressekonferenz behauptet hat. Vom Zeitpunkt einer möglichen Einführung eines bayerischen Demonstrationsreaktors wollte Herr Schlögl schon gar nicht mehr sprechen. Insofern ist die Forderung nach Einrichtung eines solchen Projekts als nationales Schlüsselprojekt der nächsten Bundesregierung nicht nur übermäßig optimistisch, sondern grenzt an Volksverdummung. 

Oder wie Professor Jürgen Karl, Lehrstuhl-Inhaber für Energieverfahrenstechnik der FAU, zur Errichtung eines solchen Demonstrationskraftwerks jüngst in der SZ konstatierte: 

Bevor es ein Kraftwerk wird, müssen noch viele Ingenieure Lösungen dafür finden. Prognosen gehen davon aus, dass das in unserem Jahrhundert nichts mehr wird. Und ob es überhaupt bezahlbar klappt, weiß kein Mensch. Man hätte auch sechs Lehrstühle in Bayern für die Entwicklung des Warp-Antriebs ausschreiben können“.

Solch vernichtende Urteile relevanter Experten sagen hierzu doch eigentlich alles. Stattdessen sollten wir besser die erneuerbaren Energien ernsthaft fördern und hier nicht weiter mit angezogener Handbremse agieren, wie es die Bayerische Staatsregierung tut. 

Daher werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten.