GRÜNE WOCHE
Jetzt ist es raus und wir haben es schon immer gewusst – Die Ergebnisse einer Studie zur Hilfe von gewaltbetroffenen Frauen. Die Zahlen sind erschreckend und alarmierend. Deshalb muss sofort gehandelt werden, denn die Hilfsangebote sind absolut unzureichend.
Nachdem sie ein halbes Jahr im Giftschrank des Ministeriums verschwunden war, hat Sozialministerin Emilia Müller nun endlich die Studie des Instituts für empirische Soziologie der Universität Erlangen-Nürnberg zur ‚Bedarfsermittlung zum Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder‘ dem Landtag und der Öffentlichkeit vorgelegt. Erst durch einen Antrag der Landtags-Grünen konnte die Freigabe der Studie erzwungen werden. Die Ergebnisse sind alarmierend und offenbaren jahrelange Versäumnisse der Staatsregierung. Es herrscht in Bayern ein regelrechter Versorgungsnotstand. Die Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder sind absolut unzureichend.
Die in der Studie präsentierten Zahlen sind dabei keineswegs neu. Es wurden lediglich die Ergebnisse älterer Studien der Europäischen Union und des Bundesfamilienministeriums aus den Jahren 2014 und 2012 auf Bayern übertragen. Das Resultat ist erschreckend:
• mindestens 55.000 Frauen ab 16 Jahren wurden im Jahr 2014 in Bayern das Opfer von sexualisierter Gewalt;
• über 140.000 in einer Partnerschaft lebende Frauen wurden 2014 in Bayern das Opfer häuslicher Gewalt;
• 90.000 Frauen haben schwere Misshandlungen erlitten;
• mehr als 18.000 Frauen haben sich nach akuter körperlicher oder sexualisierter Gewalt im Jahr 2014 an die Polizei oder an psychosoziale Beratungsstellen gewandt;
• zwischen 6.000 und 9.000 gewaltbetroffene Frauen haben Schutz in einem Frauenhaus oder bei einer anderen Opfer- und Frauenhilfsorganisation gesucht.
„Das Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder ist angesichts dieser Zahlen absolut unzureichend“, erläutert Verena Osgyan, die gleichstellungspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen. Auch dies ist keine neue Erkenntnis. So gibt es in Bayern lediglich 40 Frauenhäuser mit 367 Plätzen für Frauen und 456 Plätzen für Kinder. Die bayerischen Frauenhäuser konnten 2014 rund 1.500 Frauen und ebenso viele Kinder aufnehmen. 4.250 Frauen und Kinder mussten abgewiesen werden. 2.845 Abweisungen erfolgten aufgrund von akutem Platzmangel. Nur ein Drittel der abgewiesenen Frauen und Kinder konnte erfolgreich an eine andere Einrichtung weitervermittelt werden. Verena Osgyan ist empört: „Das von schwerer körperlicher oder sexueller Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder keinen adäquaten Schutzraum in Bayern finden, ist ein sozialpolitischer Skandal ersten Ranges.“
In der Landtagsdebatte wurde klar, dass die Staatsregierung beim Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen die Verantwortung gerne an die Kommunen abschieben würde. Diese seien im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge primär für einen Ausbau der Frauenhausplätze und Beratungsangebote verantwortlich. Aus diesem Grund hat die CSU in ihrem Dringlichkeitsantrag auch ein neues Konzept „im Rahmen der vorhandenen Stellen und Mittel“ gefordert. Für Verena Osgyan ist völlig klar: „Ein Ausbau der dringend benötigten Schutz- und Hilfeangebote wird niemals im Rahmen der vorhandenen Mittel erfolgen können. Die staatlichen Zuschüsse für die Frauenhäuser und Beratungsstellen müssen deutlich erhöht werden.“ Der Finanzierungsanteil des Freistaats beträgt bei den Frauenhäusern nur 9 Prozent und bei den Beratungsstellen 10 Prozent. Der Anteil der Kommunen liegt demgegenüber bei den Frauenhäusern bei 57 Prozent und bei den Fachberatungsstellen bei 52 Prozent. „Angesichts der völlig ungleichgewichtigen Förderanteile zwischen Freistaat und Kommunen muss hier zusätzliches staatliches Geld zur Verfügung gestellt werden, um den akuten Notstand zu beseitigen“, fordert die Gleichstellungspolitikerin. „Hierzu haben wir bisher jedoch weder von Seiten der Staatsregierung noch von Seiten der CSU-Fraktion irgendeine konkrete Aussage gehört.“
Viele notwendige Schritte liegen auf der Hand und werden in den Empfehlungen der Studie auch klar benannt. Die eklatanten Versäumnisse der Vergangenheit müssen nun schnell behoben werden. Aus diesem Grund fordern wir von der bayerischen Staatsregierung ein ‚Sofortprogramm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen‘.
Hier nur einige der wichtigsten Sofortmaßnahmen aus unserem Antrag:
• Die Plätze in den Frauenhäusern müssen sofort um mindestens 35 Prozent aufgestockt werden.
• Die Fachberatungsstellen und Frauennotrufe brauchen sofort mehr Personal.
• Eine zentrale Internetplattform zur Vermittlung freier Frauenhausplätze
• Das Kontingent an Übergangswohnungen und Wohnprojekten muss dringend weiter ausgebaut werden.
• Die bestehenden Frauenhäuser brauchen zudem deutlich mehr Personal.
• Für die Arbeit mit den von häuslicher Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen, werden dringend zusätzliche Fachkräfte benötigt.
• Zusätzliche Aufgaben wie Leitung und Verwaltung, Hauswirtschaft, Begleitung zu Ämtern und Behörden, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit Prävention und Nachsorge müssen überhaupt erst in den Stellenschlüssel Eingang finden.
• Die staatlichen Fördersätze in den Richtlinien für Frauenhäuser und Frauennotrufe müssen deutlich erhöht werden.
• Bei der staatlichen Förderung handelt es sich bisher nur um eine freiwillige Leistung des Freistaats. Hier brauchen wir eine gesetzlich garantierte einheitliche Finanzierung für alle Frauenhäuser und Notrufe.
Das Resumee von Verena Osgyan: „Bei dem bisherigen Engagement der Staatsregierung ist es kein Wunder, dass Bayern bei der Versorgung mit Frauenhausplätzen an vorletzter Stelle aller Bundesländer liegt und bei den Beratungskapazitäten sogar an letzter Stelle. Es ist nun höchste Zeit, endlich zu handeln.“
Weitere Infos:
Antrag Drucksache 17/11194 ‚Gewalt gegen Frauen bekämpfen – Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder sofort ausbauen ‘