Diskriminierung von HIV-Infizierten in Polizeidatenbanken beenden!

SCHRIFTLICHE ANFRAGE

Auf eine Schriftliche Anfrage der Grünen Landtagsabgeordneten Verena Osgyan und Katharina Schulze zur Speicherung des Vermerks „Ansteckungsgefahr“ als personengebundener Hinweis in polizeilichen Datenbanken ergab sich für Bayern ein erschreckendes Bild. Mit einer Datenzahl von nahezu 14.000 sind in bayerischen Polizeidatenbanken exorbitant viele Personen mit HIV und Hepatitis B oder C durch den Vermerk der Ansteckungsgefahr stigmatisiert. Zu kritisieren ist hierbei nicht nur die große Anzahl, sondern auch die völlig intransparente Handhabung bei der Speicherung und der Löschung des ANST-Vermerks. Zusammen mit Manfred Schmidt, Fachvorstand der AIDSHILFE Nürnberg-Erlangen-Fürth e.V., hat Verena Osgyan als datenschutzpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion am 13. November 2015 dazu in einer Pressekonferenz Stellung genommen.

Die Polizei kann nach dem Bayerischen Polizeiaufgabengesetz personenbezogene Daten von Personen speichern, verändern und nutzen, gegen die ein Verfahren eröffnet wurde oder die „verdächtig sind, Straftaten begangen zu haben“. Im polizeilichen Informationssystem INPOL wird dafür ein sogenannter Personengebundener Hinweis (PHW) vermerkt. Zu den Merkmalen gehören Schlagworte wie:  „Ausbrecher“, „bewaffnet“,  „Explosivstoffgefahr“, oder„gewalttätig“,

Ein solcher Hinweis ist auch das Kürzel ANST – „Ansteckungsgefahr“, wenn eine der drei Erkrankungen HIV, Hepatitis Boden C vorliegt. Um welche es sich handelt, wird nicht vermerkt.

Auf eine Anfrage der Grünen Landtagsfraktion zur Speicherung des Vermerks „Ansteckungsgefahr“ als personengebundener Hinweis in polizeilichen Datenbanken ergab sich für Bayern ein erschreckendes Bild. Mit einer Datenzahl von 13.992 sind in bayerischen Polizeidatenbanken exorbitant viele Personen mit HIV und Hepatitis B oder C mit dem Vermerk der Ansteckungsgefahr stigmatisiert. Das ist deshalb sehr erstaunlich, da zum einen die Vergleichszahlen aus anderen Bundesländern – soweit sie uns bekannt sind, extrem niedriger sind. (Zum Vergleich: Schleswig-Holstein 164 Fälle, Saarland 15 Fälle, Sachsen-Anhalt 78 Fälle, Brandenburg 29 Fälle, Quelle: AIDS-Hilfen). Zum aktuellen Zeitpunkt liegt damit der Verdacht nahe, dass der Freistaat hier in unverhältnismässiger Weise von dem Vermerk des ANST-Merkmals Gebrauch macht.

Zu kritisieren ist hierbei für Bayern nicht nur die große Anzahl, die den Schluss nahelegen dass unterschiedslos gespeichert wird, unabhängig davon ob eine konkrete Gefährdung für die Zukunft tatsächlich zu erwarten ist (wie es die Richtlinie eigentlich vorsieht), sondern auch die Handhabung bei der Speicherung und der Löschung des ANST-Vermerks. Denn Hepatitis B und C sind beide heilbar, und heutzutage ist eine HIV-Erkrankung bei entsprechender Therapie ebenfalls nicht mehr ansteckend. Die Therapie gilt entsprechend sogar als safer-sex Methode.

Vor diesem Hintergrund ist die Aussage der Staatsregierung dass „bei HIV jeder Infizierte lebenslang als potenziell ansteckungsfähig anzusehen ist“ nach dem heutigen Kenntnisstand schlichtweg nicht haltbar und eindeutig diskriminierend.

Laut Gesetzeslage kann die Polizei insbesondere personenbezogene Daten, die sie im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Entfällt der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht, sind die Daten zu löschen. Die nach § 37 Abs. 3 festzulegenden Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen betragen in der Regel bei Erwachsenen zehn Jahre, bei Jugendlichen fünf Jahre und bei Kindern zwei Jahre (Regelfristen). In Fällen von geringerer Bedeutung sind kürzere Fristen festzusetzen.

Die Frist beginnt regelmäßig mit dem Ende des Jahres, in dem das letzte Ereignis erfasst worden ist, das zur Speicherung der Daten geführt hat, jedoch nicht vor Entlassung des Betroffenen aus einer Justizvollzugsanstalt oder der Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung. Werden innerhalb der Frist der Sätze 3 bis 5 weitere personenbezogene Daten über dieselbe Person gespeichert, so gilt für alle Speicherungen gemeinsam der Prüfungstermin, der als letzter eintritt, oder die Aufbewahrungsfrist, die als letzte endet.

Mit den Antworten auf unsere erste Anfrage haben sich unter Berücksichtigung dies Hintergrunds weitere offene Aspekte ergeben, die wir durch die Einreichung einer zweiten und erweiterten Schriftlichen Anfrage klären möchten.

Denn es ist aufgrund der nebulösen Antworten völlig unklar, wie und ob die Personen die mit dem ANST-Merkmal gespeichert werden überhaupt wieder aus der Datenbank herauskommen, bzw. ob und wie überprüft wird inwieweit noch Gefährdung vorhanden ist, wie es an sich spätestens nach 10 Jahren erfolgen müsste. Die entsprechenden Ausführungsbestimmungen sind in einer nichtöffentlichen Richtlinie enthalten , die wir bisher nicht einsehen konnten und nunmehr unter Nutzung unseres Auskunftsrechts als Parlamentarierinnen zur Offenlegung einfordern.

Verena Osgyan dazu: „Auch wir wollen natürlich unter allen Umständen vermeiden, dass Beamtinnen und Beamte im Einsatz gefährdet werden. Deshalb wenden wir uns nicht grundsätzlich gegen Personengebundene Hinweise, wenn es z.B. um Dinge wir Waffenbesitz geht. Aber es muss im Sinne des Datenschutzes klar und transparent gehandhabt werden. Und im Falle des ANST-Merkmals entsteht keinerlei Nutzen, der die potenzielle Diskriminierung von kranken Menschen aufwiegt – schließlich ist derzeit nur ein einziger Fall aus den 80er Jahren bekannt, bei der eine Ansteckung eines Beamten im Dienst vorgekommen ist. Wir fordern daher die Abschaffung des ANST-Merkmals durch die Bundesinnenministerkonferenz!

Die schriftliche Anfrage mit der Antwort der Staatsregierung finden Sie hier zum Download.

Die dazugehörige Resolution der Deutschen Aidshilfen ist hier online abrufbar.

 

 

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