PLENARREDE
Am 22. April 2014 wurde im Plenum auf Antrag der SPD ein Antrag zum Digitalen Verbraucherschutz eingebracht und ein vollständiges Widerrufsrecht für Apps und digitale Inhalte gefordert. Auch wenn sich über die konkrete Umsetzung streiten lässt, es geht nicht dass sich durch seitenlange AGBs oder Zwangsverpflichtung zum Häkchensetzen Verbraucherrechte in der digitalen Welt einfach außer Kraft setzen lassen. Ehrensache, dass Verena Osgyan sich als Grüne Netzpolitikerin auch für den Antrag in die Bresche geworfen hat. In ihrem Redebeitrag machte sie aber auch deutlich, dass ein Widerrufsrecht für digitale Inhalte nur einen Baustein für die Stärkung der digitalen Verbraucherrechte darstellt.
Hier Verenas Rede im Volltext:
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
Das Thema dieses Antrags ist, die Verbraucherrechte an digitalen Produkten zu stärken. Auch wenn wir jetzt trefflich darüber diskutieren könnten, was wie technisch umsetzbar oder nicht umsetzbar ist, müssen wir feststellen: hier klafft eine Lücke. Verbraucherinnen und Verbraucher sind beim Kauf digitaler Produkte nach wie vor faktisch schlechter gestellt als beim normalen Online-Handel.
Mit der neuen EU-Verbraucherrichtlinie gilt zwar seit 2014 grundsätzlich auch für digitale Produkte ein 14-tägiges Rückgaberecht.
NUR: Das nützt alles nichts, wenn es gleichzeitig möglich ist das über die Zustimmung zu seitenlangen AGBs und Erklärungen, die sich auf einem Handy oder Tablet eh keiner durchliest, wieder auszuhebeln.
In der Praxis ist damit eine Rückgabe schwer oder gar nicht möglich wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher zustimmen müssen, dass mit dem Download ihr Widerrufsrecht erlischt. Und sie müssen zustimmen, sonst lässt sich der Kaufprozess gar nicht weiter ausführen. Aber damit kauft man die Katze im Sack.
Das manche Hersteller in vorgeblicher Kulanz dann ein 15-minütiges oder 2-stündiges Rückgaberecht anbieten, hilft da auch nicht viel. Es widerspricht einfach sämtlichen Grundsätzen des Verbraucherschutzes, die in anderen Bereichen ganz selbstverständlich sind.
Ein Beispiel:
Sie bestellen sich ein paar Schuhe bei einem großen Onlineversender. Das Paket kommt, Sie probieren die Schuhe an und merken, dass Sie Ihnen nicht passen. Was tun Sie?
Sie schicken Sie zurück – ganz einfach. Ist doch logisch!
Wenn ich mir aber ein Kalender-Plugin herunterlade und beim ausprobieren feststelle, das es meinen Bedürfnissen nicht entspricht oder mit meinem Betriebssystem nicht ordentlich funktioniert, bin ich die Gelackmeierte.
Das Beispiel ist jetzt nicht aus der Luft gegriffen, denn ich habe tatsächlich selbst drei verschiedene Kalender-Tools gekauft, bezahlt und ausprobiert, bis ich eines gefunden habe das tatsächlich kann was ich brauche.
Das Argument, dass Apps meistens nur Kosten im Cent-Bereich verursachen, halte ich nicht für stichhaltig, denn wenn so etwas häufiger passiert ist es einfach ärgerlich und es gibt durchaus auch Apps die mehrere hundert Euros kosten.
Zudem gibt es noch viele andere Arten von digitaler Inhalte, die das genauso betrifft, wie Software, Musik oder Filme. Der Regelungsbedarf geht also weit über das Thema Apps hinaus und ist ein ganz grundsätzlicher.
Dass Digitale Inhalte grundsätzlich zu den Waren gehören, die Aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zurückgegeben werden können, bezweifle ich sehr.
Selbstverständlich können auch digitale Waren zurückgegeben werden, das sind doch keine Schnitzelsemmeln, über die wir hier reden, die schlecht werden könnten.
In der Praxis führt ein uneingeschränktes Widerrufsrecht auch in der analogen Welt häufig dazu, dass Verbraucher das wissentlich ausnutzen. Auch Online-Textilhändler haben Rücksendequoten von teils 60-70% und müssen beschädigte Ware dann abschreiben.
Und in dem Zusammenhang müssen wir natürlich sehr wohl konstatieren, dass bei digitalen Produkten prinzipiell ein Missbrauch des Widerrufsrechts ein besonderes Problem sein kann. Das zu leugnen wäre weltfremd, aber hierfür lassen sich mit Sicherheit Lösungen finden.
Das können technische Lösungen sein wie Deaktivierung einer Seriennummer. Es könnte aber auch andersherum aufgezogen werden kann, z.B. über eine Verpflichtung für Hersteller, wenn sie schon das Widerrufsrecht beim Download ausschließen, wenigstens vorab kostenlose Testversionen anzubieten.
Darüber wie ein praxistaugliches Widerrufsrecht für digitale Inhalte aussehen kann, muss sicher noch näher diskutiert werden. Hier ist der Antrag noch zu wenig konkret, aber so etwas muss dann letztlich in der Umsetzung der Gesetze ausformuliert werden.
Auch glaube ich, dass das Thema digitaler Verbraucherschutz noch breiter aufgestellt gehört, denn die Nutzungseinschränkungen durch AGBs betreffen ja nicht nur das Widerrufsrecht, sondern auch viele andere Bereiche. Der Regelungsbedarf ist jedenfalls gewaltig.
Dennoch sind die vielfältigen Bedenken, die jetzt vorgetragen wurden und auch die technischen Fragestellungen kein Grund, Verbesserungen des Widerrufsrechts für digitale Inhalte auf die lange Bank zu schieben. Mit freiwilligen Selbstverpflichtungen der Anbieter werden wir jedenfalls nicht weiterkommen, wir brauchen eine gesetzliche Regelung. Daher stimmen wir dem Antrag selbstverständlich zu.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses digitale Zeitalter, diese digitalen Leuchttürme, die Sie immer wieder beschwören, die müssen Sie doch auch in einen verbraucherfreundlichen Rahmen packen. Daher mein Appell an die Fraktionen der CSU und der Freien Wähler: Überdenken sie ihre Haltung und setzen Sie, Frau Scharf, jetzt ein Zeichen dass Ihnen digitaler Verbraucherschutz am Herzen liegt! Vielen Dank.