PLENARREDE
Anlässlich des Weltfrauentags gab es im Bayerischen Landtag eine absolute Premiere – in der aktuellen Stunde am Dienstag, dem 03. März 2015 gab es nur weibliche Rednerinnen. Ein Umstand, der angesichts der angesichts des immer noch mickriges Frauenanteils im Bayerischen Landtag von nicht einmal 30% wohl auch in Zukunft Seltenheitswert haben wird. Verena Osgyan machte deshalb in Ihrem Redebeitrag deutlich, das echte Demokratie nur 50:50 geht – und wir deshalb eine Reform des Wahlrechts brauchen.
Hier Verenas Rede im Volltext zur Aktuellen Stunde (der SPD-Fraktion):
“Starke Frauen für ein starkes Bayern – geschlechtergerechte Gesellschaft jetzt verwirklichen!”
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Starke Frauen für ein starkes Bayern! Ein grandioser Titel für eine aktuelle Stunde so kurz vorm Weltfrauentag! Jetzt haben wir dazu schon einiges gehört. Gutes, aber vor Allem weniger Gutes! Und Bayern hat wirklich jede Menge starke Frauen – auch wenn Sie viel zu häufig in der zweiten, dritten oder letzten Reihe versauern. Bayern ist, was die Gleichstellung betrifft, nicht nur Schlusslicht im Bund, sondern ein Entwicklungsland. In zentralen Kennzahlen wie der Repräsentanz von Frauen in den Parlamenten liegen wir sogar noch hinter Ländern wie Ruanda. Das ist eine Schande. Jetzt ist Bewegung auf der Bundesebene, aber aus dem Quotengesetz ist wieder nur ein Micker-Quötchen geworden. 30% Frauen in Aufsichtsräten – nun wahrlich nicht der große Wurf, 40 % sollten es schon sein, wenn wir von angemessener Repräsentanz sprechen wollen. Und dabei geht es tatsächlich nur um 106 DAX-Konzerne.
Spannender finde ich nun den Vorstoß für ein Transparenzgesetz zur Offenlegung der Gehälter. Denn es setzt da an wo der Schuh am meisten drückt: Wenn Frauen nach wie vor für genau die gleiche Arbeit 10% weniger verdienen, ist das nicht nur ungerecht, es ist schlicht sittenwidrig! Klar: Die Empörung der CDU/CSU zur Offenlegung der Gehälter war vorhersehbar. Die Wirtschaft geht deswegen nicht den Bach runter. Der Vorschlag ist auch weder neu noch unerhört. Norwegen und Schweden machen es längst vor, und diese liegen vom Bruttoinlandsprodukt weit vor uns. Was wird dabei rauskommen? Es wird erstmals schwarz auf weiß dokumentiert, dass Frauen schlichtweg schlechter bezahlt werden.
Viel erhoffe ich mir vom Bund nicht, aber immerhin noch mehr als aus Bayern. Denn die Staatsregierung hat in den vergangenen Jahren nicht nur geschlafen, es fehlt an jeglichem Willen, Gleichstellung aktiv voranzutreiben. Mit der Vereinbarkeit von Kind und Beruf sieht es nach wie vor schlecht aus – der Krippen- und Kita-Ausbau kam viel zu spät und reicht nach wie vor nicht aus. Und Bayerns Frauen stoßen sich dann auch noch den Kopf an der gläsernen Decke! Selbst da, wo der Staat als Arbeitgeber handeln könnte – im Öffentlichen Dienst und an den Hochschulen – passiert seit Jahren nichts. 4% Frauen in Führungspositionen im Polizeidienst, 16,7% Lehrstuhlinhaberinnen bei über 50% Studienabsolventinnen – die Zahlen sprechen Bände!
11% weibliche Führungskräfte in Beteiligungsunternehmen des Freistaats. Das hatten wir vor einem Jahr im Ausschuss für den Öffentlichen Dienst, das hatten wir jetzt im Haushaltsausschuss und nun gibt es einen Kabinettsbericht. Dieser ist unter Verschluss. Was gibt es denn da zu verheimlichen? Offenbar sind die Zustände noch schlimmer als gedacht.
Hier herrscht Handlungsbedarf! Wir brauchen endlich verbindliche Zielvorgaben statt leerer Absichtserklärungen!
Nicht nur Bayerns starke Frauen werden ausgebremst. Wirklich skandalös ist, wie Bayern mit den Schwächsten umgeht. Frauen die Schutz und Hilfe brauchen, werden im Regen stehen gelassen. Das zeigt sich bei der gnadenlosen Unterfinanzierung der Frauenhäuser und Frauennotrufe, und gleichzeitig an der stetig anwachsenden Zahl häuslicher Gewalt in Bayern, an die ich Sie gerne immer wieder erinnere. Ganz aktuell und besonders beschämend ist die Situation weiblicher Flüchtlinge in Bayern. Diese Frauen auf der Flucht sind häufig Opfer von Gewalt, Zwangsprostitution oder Menschenhandel. Und das setzt sich hier bei uns fort! Denn auch bei uns in den Gemeinschaftsunterkünften sind sie stärker physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt als männliche Flüchtlinge und häufig eben auch sexualisierter Gewalt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Es darf in bayerischen Flüchtlingsunterkünften doch nicht zu solchen Drangsalierungen kommen. Oft scheitert es schon an den baulichen Voraussetzungen. Da werden weibliche alleinstehende Flüchtlinge oder Frauen mit Kindern mit alleinstehenden männlichen zusammen untergebracht und haben noch nicht einmal getrennte sanitäre Anlagen. Und wir brauchen endlich Fortbildungen für BetreuerInnen um besser auf die Probleme von gefolterten und geflohenen Mädchen und Frauen eingehen zu können. Bei all dem, was wir anpacken müssten und in Bayern nicht tun – sieht man: Der Fehler liegt im System!
Denn Demokratie geht nur gerecht, und zwar geschlechtergerecht und das beginnt bei der Besetzung der Parlamente und Gremien. Wir haben im Bayerischen Landtag einen Frauenanteil von nur 30%, und das obwohl wir Grüne mit unserer 50:50 Besetzung den Schnitt ganz erheblich aufbessern. Auf kommunaler Ebene sind es bayernweit auch nur 32% . Und bei Gremien wie den Rundfunk- und Medienräten sind es sogar nur 25% Frauen. Es ist skandalös, dass gerade bei denen, die das Rollenbild in die Gesellschaft tragen also den Medien selbst und deren Aufsicht, Frauen so extrem unterrepräsentiert sind. Kein Wunder, dass so viele Themen, die Frauen betreffen, immer unter den Tisch fallen. Nur wenn Frauen gleichermaßen in den Parlamenten vertreten sind, vom Gemeinderat bis zum Bundestag, können wir von einer echten Repräsentanz des Volkes sprechen. Dr. Elisabeth Selbert, eine der Mütter des Grundgesetzes hat das ganz treffend formuliert:
„Die mangelnde Heranziehung von Frauen zu öffentlichen Ämtern und ihre geringe Beteiligung in den Parlamenten ist doch schlicht Verfassungsbruch in Permanenz.“
Das sehen viel Bürgerinnen und Bürger mittlerweile genauso, und daher arbeitet das Aktionsbündnis „Parité in den Parlamenten“ an einer Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof, um unser Wahlverfahren auf Verfassungstreue zu untersuchen. Denn eines ist klar: Mit Freiwilligkeit kommen wir hier nicht weiter. Für echte Gleichberechtigung benötigen wir eine Reform des Wahlrechts, ein Paritätsgesetz wie es andere Länder bereits seit langem haben. Wahllisten müssen dabei generell fifty:fifty besetzt werden, so wie das bei uns Grünen schon längst der Fall ist. Dafür werden wir uns einsetzen, denn Demokratie geht nur geschlechtergerecht – mit starken Frauen und starken Männern! Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung.
Danke