Antifeminismus in der Mitte der Gesellschaft – Ursachen, Ausdrucksformen und Folgen

VERANSTALTUNGSRÜCKBLICK

Anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt an Frauen und Mädchen am 25. November hat der AK Gleichstellung des Kreisverbands Nürnberg am 22. November ins KRUG12 eingeladen. Zum Thema Antifeminismus in der Mitte der Gesellschaft gab es zunächst einen Vortrag von Prof. Dr. Katrin Degen – Professorin für Soziale Arbeit im Kontext von Rechtsextremismus und politischer Bildung – mit anschließender Podiumsdiskussion. Durch den Nachmittag führte Franziska Kamm, Sprecherin des AK Gleichstellung.

Antifeminismus ist längst kein Randphänomen mehr – er zieht sich durch die gesellschaftliche Mitte und gewinnt trotz aller Fortschritte im Bereich der Gleichstellung zunehmend an Sichtbarkeit und Akzeptanz. Gewalt gegen Frauen, die Abwertung geschlechtlicher Vielfalt und das offene Infragestellen emanzipatorischer Errungenschaften zeigen, wie dringend eine breite öffentliche Auseinandersetzung notwendig ist.

Antifeminismus als Teil eines patriarchalen Systems

Der Fachvortrag von Katrin Degen bot einen kompakten Überblick über zentrale Befunde: Etwa ein Viertel der Bevölkerung vertritt antifeministische Positionen, Männer etwas häufiger – doch betroffen sind alle Geschlechter. Besonders verbreitet ist der Glaube an angeblich „natürliche Unterschiede“ zwischen Männern und Frauen, ein Kernargument vieler antifeministischer Narrative. Antifeminismus ist kein neues Phänomen, sondern historisch gewachsen und wurde bereits im frühen 20. Jahrhundert beschrieben. Heute zeigen sich deutliche Überschneidungen mit Rassismus, Antisemitismus und Sexismus, weshalb es wichtig ist, Antifeminismus immer intersektional zu betrachten. Er fungiert als Teil eines patriarchalen Systems, das politische Teilhabe, berufliche Chancen und sexuelle Selbstbestimmung von Frauen einschränkt. Forschungsergebnisse verdeutlichen zudem: Patriarchale Hierarchien sind ein wesentlicher Nährboden für geschlechtsspezifische Gewalt bis hin zu Femiziden. Dabei muss laut der Referentin immer mitgedacht werden, dass Antifeminismus als Ideologiefragment eines extrem rechten Weltbildes fungiert und somit ein wichtiger Teil der politischen Strategie extrem rechter Parteien ist.

Neue Studie der Universität Tübingen zu Femiziden in Deutschland

Im Rahmen des Vortrags wurde auch eine erst im November dieses Jahres veröffentliche Studie der Universität Tübingen mit dem Titel „Femizide in Deutschland“ erwähnt, die die Brisanz des Themas nochmals deutlich macht. Die Wissenschaftler*innen haben darin unter anderem herausgearbeitet, dass Partnerinnenfemizide im Zusammenhang mit Trennung oder Eifersucht mit über 80 % den weit größten Anteil unter den Femiziden ausmachen.

Die Präsentation von Katrin Degen kann hier abgerufen werden:

Antifeminismus auf allen Ebenen der Gesellschaft

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde dargestellt, wie die unterschiedlichen gesellschaftlichen und institutionellen Bereiche von Antifeminismus betroffen sind. Unter der Moderation von Stadträtin Natalie Keller berichtete Verena Osgyan (stellv. Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag) aus der Diskussion in den Parlamenten, Britta Walthelm (Referentin für Umwelt & Gesundheit) teilte die messbaren Auswirkungen aus der Erfahrung der Gesundheitsämter und Sabine Böhm-Burmann (Geschäftsführerin der frauenBeratung Nürnberg) sprach von ihren Erfahrungen aus der Beratungspraxis. Prof. Dr. Katrin Degen diskutierte aus Sicht der Wissenschaft mit. Konsens war dabei, dass antifeministische Vorfälle zunehmen, institutionell aber oft nicht ernst genug genommen werden. Im Bayerischen Landtag etwa hat sich der Ton seit Einzug der AfD wieder verschärft – mit der Folge, dass sehr viel Symbolpolitik stattfindet, wie sich zum Beispiel durch Markus Söders Genderverbot zeigt.

Sabine Böhm-Burmann berichtete von einer alarmierenden Entwicklung: Häusliche und digitale Gewalt nehmen zu, Hochrisikofälle – also potenzielle Femizide – haben sich in den letzten Jahren nahezu verdoppelt. Dabei gelten Trennungsphasen weiterhin als besonders gefährlich. Gleichzeitig erleben Beratende eine Rückkehr offen frauenfeindlicher und opferbeschuldigender Haltungen, verstärkt durch Onlinehass, Pornografisierung und Influencer wie Andrew Tate. Dabei ist es interessant, dass auch Frauen aus rechten Strukturen Hilfe suchen, sich unterdessen aber nicht von ihrem grundsätzlichen Weltbild lösen.

Prävention braucht eine verlässliche Finanzierung

Die Publikumsfragen machten schließlich deutlich, wie groß der Bedarf an Prävention und Unterstützung ist. Kinder übernehmen häufig familiengeprägte Narrative; pädagogische Arbeit, frühzeitige Aufklärung und die Vermittlung alternativer sozialer Rollenvorbilder sind deshalb immens wichtig. Problematisch ist hierbei jedoch immer die Frage der langfristigen Finanzierung. Das ist eine Herausforderung, der sich die Verantwortlichen auf kommunaler sowie auf Landes- und Bundesebene dringend stellen und Lösungen finden müssen.

Im Anschluss an das Podium gab es noch Raum für Austausch und Diskussionen bei Brezen und Getränken in lockerer Atmosphäre. Trotz des ernsten Themas war die Stimmung sehr harmonisch und es kamen gute Gespräche zwischen Besucher*innen und Ausrichtenden zustande.

Solidarität als Schlüssel für Veränderung

Als Fazit der Veranstaltung bleibt stehen, dass Antifeminismus kein Randphänomen, sondern fest in gesellschaftlichen Strukturen verankert ist. Er bedroht Gleichstellung, Demokratie und nicht zuletzt die Sicherheit von Frauen. Die Veranstaltung machte deutlich, wie notwendig Aufklärung, Prävention, politische Unterstützung und solidarisches Handeln sind – und dass eine demokratische Gesellschaft feministische Perspektiven nicht nur aushalten, sondern aktiv verteidigen muss. Dafür braucht es Veranstaltungen wie diese und Räume für Diskussion und Zusammenkommen. Dann besteht durchaus auch Grund für Optimismus.

Der AK Gleichstellung