Asylsuchende vor Menschenhandel schützen!

FACHGESPRÄCH

Die Opfer von Menschenhandel werden im aktuellen deutschen Asylverfahren nicht ausreichend geschützt. Auf behördlicher Ebene werden sie nicht  rechtzeitig oder gar nicht als Opfer identifiziert und auf juristischer Ebene erhalten sie keinen ausreichenden Schutz, obwohl seit 2011 eine EU-Richtlinie existiert, die weltweit als eines der besten Instrumente gegen Menschenhandel gilt. Dies waren zwei Schlussfolgerungen des Fachgespräches im Bayerischen Landtag, zu dem Christine Kamm (Asylpolitische Sprecherin) und Verena Osgyan (Sprecherin für Frauen und Gleichstellung)  ExpertInnen und ehrenamtliche HelferInnen einluden.

Verena Osgyan, Referentin Doris Hilber und Christine Kamm (v.li.)
Verena Osgyan, Referentin Doris Hilber und Christine Kamm (v.li.)

Doris Hilber stellte die Ergebnisse eines Projekts der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vor, das sich mit der Identifizierung und dem Schutz von Betroffenen des Menschenhandels im Asylsystem befasste. Eines der wichtigsten Ergebnisse: „Die Entscheider in den Behörden wurden in Schulungen für das Thema Menschenhandel grundsensibilisiert. Der wichtigste Punkt ist die Identifikation der Betroffenen und die anschließende Vermittlung der Betroffenen an Fachberatungsstellen für Menschenhandelsbetroffene.“ 96% der Betroffenen sind Mädchen und Frauen. Die Rechtsanwältin Gwendolin Buddeberg von Solwodi berichtete, dass die Opfer von Zwangsprostitution oder Menschenhandel bisher eher zufällig bei Beratungsgesprächen oder beim Kontakt mit Ehrenamtlichen identifiziert werden. In diesem Zusammenhang forderte Christine Kamm: „Die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist für die Frauen oft der erste und manchmal auch der einzige Kontakt zu offiziellen Stellen. Dieser Kontakt muss also von behördlicher Seite viel besser genutzt werden, um eventuelle Opfer zu identifizieren, sie zu beraten und langfristig zu schützen.“

Die betroffenen Frauen nehmen ihre Notlage notgedrungen hin oder sprechen aus Angst vor ihren Peinigern oder aus Scham nicht über ihre Situation. „Sinnvoll ist deshalb die Hinzuziehung einer Indikatorenliste, mit deren Hilfe geklärt wird, ob die Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurde,  ob Gewalt ausgeübt oder angedroht wurde und ob die Frauen durch Liebesversprechen gebunden wurden“, betonte Hilber.

Die EU-Richtlinie zum Menschenhandel muss endlich umgesetzt werden

Seit 2011 existiert eine EU-Richtlinie zum Menschenhandel, in der Opferschutz und Strafrecht vorbildlich miteinander verzahnt sind. „Im Gegensatz zum deutschen Recht ist diese EU-Richtlinie umfangreicher und besser. 20 EU- Staaten haben sie bereits umgesetzt, nur Deutschland ist dieser Pflicht noch nicht nachgekommen, obwohl hier die Frist seit dem 6. April 2013 abgelaufen ist“, kritisierte Rechtsanwalt Christoph Lindner. Er betonte, dass in Deutschland trotzdem die Möglichkeit bestünde, auf die Anwendbartkeit der Richtlinie zu klagen. „Allerdings nur in Bezug auf den Opferschutz, nicht in Bezug auf die Strafverfolgung der Täter. Außerdem ist das kein  einfacher Weg, denn die endgültige Entscheidung liegt in den Händen der jeweiligen Prozessführung“, so Lindner.

Verena Osgyan machte auf die besondere Gefährdung von Mädchen und Frauen in Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften aufmerksam. „In einer für sie sehr schwer einzuschätzenden fremden Umgebung werden sie oft gezielt von Landsmännern für die Prostitution angeworben. Hier gibt es keinen  ausreichenden Schutz“, so Osgyan. Sie forderte: „Die Gesetzeslücke im Opferschutzparagraphen 25a des deutschen Aufenthaltsrechtes muss endlich geschlossen werden. Das Asylverfahren dauert durchschnittlich 22 Monate, der temporäre Schutzstatus hingegen endet nach sechs Monaten.“

Der Buchautor Zekarias Kebrab aus Eritrea berichtete, dass Menschenhandel in Afrika gegenwärtig einer der größten „Industriezweige“ sei. „Ganz Eritrea ist auf der Flucht“, sagte er, denn Asylanträge könne man nur in Europa stellen, nicht im Heimatland. Legale Wege nach Europa würden nicht nur viele Menschenleben retten,  sondern auch Schutz vor Menschenhandel gewährleisten.

Das Eingangs-Statement zum Thema von Verena Osgyan gibt es hier zum Download

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