Verbraucherschutz bei Computerspielen

PLENARREDE

Rede zum Dringlichkeitsantrag 17/19237 (Jugendschutz bei Computerspielen ausweiten) der Freien Wähler im Plenum am 29. November 2017

Hier finden Sie die Rede in Worlaut. Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

Computerspiele scheinen in den vergangenen Jahren dieser Legislatur kein besonders großes Thema für dieses hohe Haus gewesen zu sein, wenn ich mir die Unterlagen dazu zusammensuche. Meist haben wir hier über Computerspielsucht gesprochen – ein zweifelsohne wichtiges Thema. Nicht unweit von hier am Klinikum Haar wird auch an dem Thema geforscht und ich hatte im vergangenen Jahr ein interessantes Gespräch mit einer der dortigen Oberärztinnen. Zwischen Computerspielsucht und Glücksspielsucht gibt es durchaus einige Parallelen.

Den Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler halten wir der Thematik gegenüber allerdings zu unterkomplex. Computerspiele sind längst im Bereich der Kultur wie Musik, Filme oder Kunst angekommen. Sie sind fester Bestandteil der Jugendkultur und die Gaming-Industrie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig. Wir dürfen Computerspiele nicht in die Schmuddelecke stellen, sondern sollten differenziert über das Thema diskutieren.

So genannte „Freemium“-Games, bei denen der Kern des Spieles kostenlos ist, aber diverse Zusatzmodule gekauft werden können oder sollen, sind immer verbreiteter.  Gerade auf Smartphones und anderen mobilen Devices sind sie heute eher die Regel als die Ausnahme. Aber auch im „klassischen“ PC-Spielebereich verbreitet sich das Konzept immer weiter. Hier geht es eigentlich erst einmal um ein legitimes Monetarisierungsmodell von Spieleentwicklern. Ärgerlich wird es dann, wenn Spiele vorgeben, vermeintlich kostenlos zu sein, später aber In-Game dann doch Zahlungen verlangen. Das kann den Spielspaß schnell verderben. Abzuwägen ist hier, wann es sich noch um ein legitimes Geschäftsmodell handelt und wo Abzocke beginnt.

Spiele können aber natürlich auch – das ist der gefährliche Part – Nutzerinnen und Nutzer, nachdem sie sich einmal eingespielt haben, in ein suchtähnliches Verhalten ziehen. Nicht umsonst redet man dann statt von „Free-to-play“-Spielen hier auch vom Modell „Pay-to-win“. Um gegen andere Mitspieler ankommen zu können, muss man als Userin oder User eben doch zahlen. Im Fall der so genannten „loot boxes“ kommt dazu, dass man als Userin oder User überhaupt nicht weiß, welche Produkte man am Ende mit echtem Geld erwirbt. Eine Art Lotterie also. Der belgische Staat stuft solche „loot boxes“ daher beispielsweise auch als Glücksspiel ein.

Wichtig ist es, hier differenziert an das Thema heranzugehen. Wir stellen uns nicht generell gegen „Free-to-play“-Spiele oder die Möglichkeit zu Mikrotransaktionen In-Game. Aber so genannte „Play-to-win“-Games müssen reguliert werden, wenn sie die Grenze hin zum Glücksspiel überschreiten oder aber wenn sie ganz gezielt Suchtverhalten fördern. Wann das der Fall ist, ist eine Frage des Verbraucherschutzes.

Über den Jugendschutz an das Thema heranzugehen, halten wir daher für den falschen Weg. Der Jugendschutz beschäftigt sich vorrangig mit entwicklungsgefährdenden Inhalten von Spielen und hat dann die Möglichkeit zur Alterseinstufung oder im Extremfall zur Indizierung. Das Spiel, an dem der Antrag der Freien Wähler sich aufhängt, ist ab 16 Jahren freigegeben. Ein Alter also, in dem wir von jungen Menschen erwarten, dass sie die Tragweite ihres Handelns schon abschätzen können. Ob und in welchem Ausmaß Jugendliche solche Transaktionen durchführen können ist über die Geschäftsfähigkeit eigentlich zur Genüge abgehandelt.

Gegen eine gezielte In-Game-Werbung, die sich an Kinder richtet, hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen schon 2013 vor dem Bundesgerichtshof ein Verbot erwirkt. Immer noch anachronistisch ist die Tatsache, dass je nachdem ob ein Spiel trägergebunden oder eben nicht veröffentlicht wird unterschiedliche Rechtsgrundlagen greifen – entweder das Jugendschutzgesetz oder der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Das sollte dringend geändert und sich hier für eine einheitliche Rechtsgrundlage stark gemacht werden.

Prinzipiell sind aber auch Erwachsende immer mehr und inzwischen genauso sehr Zielgruppe dieser Geschäftemacherei. Der Fachverband Medienabhängigkeit schreibt: „Die häufige Nutzung von Free-to-Play-Games  korreliert (…) stark mit Internetabhängigkeit und der Höhe des investierten Geldes.“

Bei Suchtverhalten – bei jungen ebenso wie bei erwachsenen Menschen, müssen wir natürlich handeln. Ein ganzes Geschäftsmodell zu verteufeln ist dazu aber nicht der richtige Weg. Abzocke, die über „Freemium“-Games und „loot boxes“ passiert, müssen wir aber natürlich verbraucherschutzrechtlich effektiv begegnen.

Dem Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler können wir daher nicht zustimmen. Wir wollen das Thema differenzierter betrachten und eine breitere Debatte dazu führen. Der Berichtsantrag der SPD könnte ein Anstoß dazu sein und der Dringlichkeitsantrag der CSU geht in eine richtige Richtung – auch wenn wir den Jugendschutz hier weiter für den falschen Ansatzpunkt halten. Diesen beiden Anträgen werden wir daher zustimmen.

Wir wollen die Gefahr der Abzocke für alle Verbraucherinnen und Verbraucher eindämmen; und wir wollen allen eine effektive Prävention vor Computerspielsucht bereitstellen. Gleichzeitig müssen wir aber auch anerkennen, dass Computerspiele zu einer Kulturform geworden sind.

Vielen Dank.

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